Das Urteil
eine alte Dame. Altes Geld aus San Marino, wissen Sie?«
Ms. Pratt lachte in den Hörer. »Altes Geld heißt nicht, daß man alt ist, zumindest trifft es auf Margaret nicht zu. Ich glaube nicht, daß sie schon dreißig ist. Ich könnte Ihnen ihr Foto faxen. Sie gehörte 1986 zum Rose Court, wissen Sie.«
Hardy hielt ein Foto für nicht erforderlich.
»Die Hochzeit findet im Dezember im Huntington statt«, sagte Lucy. »Die ganze Stadt spricht davon.«
Hardy bezweifelte, ob die Leute in, beispielsweise, South Central Los Angeles ebenso große Aufregung wegen der kommenden Hochzeitsfeierlichkeiten empfanden wie Lucy, aber sie schien eine nette junge Frau zu sein, also hörte er weiter zu. Er hielt es für eine freundliche Frage zum Abschied, bevor er aufhängte, deshalb stellte er sie: »Wer ist der Bräutigam?«
»Es ist wirklich eine Geschichte wie bei Aschenputtel«, sagte sie. »Jody stammt aus der West Side, aber unten in der Ebene, alles andere als Brentwood. Aber jetzt...«
»Ist das etwas Jody Bachman, der Rechtsanwalt?«
»Das ist der Glückspilz. Kennen Sie ihn?«
»Klar«, sagte Hardy. »Alle Anwälte kennen sich. Es ist wie eine große Bruderschaft.«
Lucy lachte erneut. Sie hatte zweifellos gute Manieren, auch wenn er bezweifelte, daß sie den Witz mitbekommen hatte.
Er hinterließ Restoffer eine Nachricht. Trotz seiner Erkältung wollte er Zeit zum Nachdenken haben, also spazierte er quer über die Market Street zum Justizpalast, machte einen Umweg von einem Häuserblock und ging die 5th Avenue hinunter (auf der 6th Avenue spielte man mit seinem Leben). Er schnappte sich Powell, und gemeinsam erwischten sie Villars, die alleine in ihrem Richterzimmer saß.
In der Hinsicht hatte er Glück, obgleich die Richterin alles andere als erfreut war, als sie die beiden Männer erblickte.
»Ich hoffe doch, Sie haben für heute etwas vorbereitet, Mr. Hardy«, fing sie an. »Ich werde einem Antrag auf Verfahrensaussetzung nicht zustimmen. Wollen Sie immer noch mit mir sprechen?«
Hardy sagte, das sei richtig, und sie kehrte ihm den Rücken zu, ging zurück zu dem Tuchsessel, in dem sie die Zeitung gelesen und ihren Morgenkaffee getrunken hatte. Aber sie setzte sich nicht bequem zurück. Statt dessen balancierte sie auf der Vorderkante und zeigte mit dem Finger auf Hardy. »Der richtige Zeitpunkt für einen persönlichen Einspruch gegen das Urteil ist nach der Entscheidung der Geschworenen.«
Villars bezog sich auf den wohlchoreographierten Tanz, der in Kalifornien Prozesse umgab, bei denen die Todesstrafe verhängt werden konnte. Selbst nachdem die Jury mit einem Urteil in den Gerichtssaal kam, das auf die Todesstrafe lautete, war die ganze Sache damit noch nicht gelaufen. Die Verteidigung gab automatisch einen Antrag zu Protokoll, das Urteil auszusetzen, während gleichzeitig der Antrag auf ein neues Verfahren gestellt wurde, und zwar mit beinahe jeder nur erdenklichen Begründung und ohne auf Befangenheit zu plädieren - mit anderen Worten, ohne eine Urteilsanfechtung. Im Jargon der Juristen wurde der Richter damit zum dreizehnten Geschworenen.
In der Praxis wurde solchen Anträgen selten stattgegeben. Sofern ein Richter in seiner Eigenschaft als dreizehnter Geschworener nach all der Zeit und all den Kosten eines Geschworenenprozesses tatsächlich ein Urteil und ein Strafmaß verwarf, dann würde es der Staatsanwalt - indem er sein Recht in Anspruch nahm, jeden ihm zugewiesenen Richter ablehnen zu können - es dieser Person verdammt schwer machen, wieder einen Fall zu bekommen. Trotzdem: Villars war ein harter Brocken, und Richter des Superior
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Court, das war wahr, konnten enorm viel Macht und Einfluß anhäufen.
Hardy blieb stehen. Powell setzte sich stumm, hörte nur zu. »Ich wollte einen Beschluß wegen einer bestimmten Sache herbeiführen«, sagte er und berichtete der Richterin, was er heute früh über Jody Bachman und Margaret Morency herausgefunden hatte. Villars unterbrach ihn nicht. »Also, Euer Ehren, habe ich eine Frau im Aufsichtsrat der BMG, die dafür Sorge trug, daß Restoffers Ermittlungen in Los Angeles abgeblasen werden, die gleichzeitig mit dem Rechtsberater der Ärztegruppe verlobt ist. Meiner Meinung nach sollte die Jury das zu hören bekommen.«
Villars setzte sich jetzt doch noch bequem zurück. »Wie hat diese Frau die Ermittlungen abgeblasen?«
»Sie rief Kelso an, den Supervisor. Der hat es dann dem Polizeichef gesteckt.«
»Haben Sie Beweise dafür?«
Hardy
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