Das Urteil
diese Kerle da draußen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Das weiß ich nicht. Der Inspector, den ich im Krankenhaus gesehen habe - Manion? -, er sagte, daß man wegen der Sache keine Anklage erheben würde, und als dann ... als Phil ...« Sie zwang sich durchzuatmen. »Egal, als Phil starb, kam der jüngere der Männer raus und fragte, ob ich mit ihnen zusammenarbeiten würde.«
»Ob Sie mit ihnen zusammenarbeiten würden? Das hat er gesagt?«
Das machte alles keinen Sinn. Entweder wollte man Anklage gegen sie erheben oder nicht, und so oder so gab es keinen Grund, sie in ihrem Zustand in die Innenstadt mitzunehmen, damit sie bei der Mordkommission in einem Vernehmungszimmer hockte. Auch wunderte er sich über die kleine Versammlung draußen vor der Tür - Batiste, Glitsky, Manion, Terrell. Alle hingen sie dort herum und warteten auf ein Gespräch mit einer Frau, gegen die sie sowieso keine Anklage erheben würden?
»Haben Sie denn schon mit denen gesprochen?« fragte er.
Doch bevor sie antworten konnte, entstand draußen ein lautes Durcheinander, das sogar im Vernehmungszimmer deutlich zu hören war. Sie standen beide auf, und Hardy öffnete die Tür. Der Bezirksstaatsanwalt höchstpersönlich, Christopher Locke, war hereingekommen, gefolgt von Dean Powell und der Hälfte aller Fernsehkameras Amerikas.
Jetzt wurde die Sache klarer.
Hardy würdigte Locke keines Blickes. Die Gefühle der beiden Männer füreinander hatten sich bereits im vergangenen Jahr lautstark und heftig Luft gemacht. Hardy ging hinaus ins Hauptzimmer, an Locke vorbei und auf Powell zu. »Wissen Sie, Dean, das hier ist reichlich unverschämt. Um nicht zu sagen beleidigend.«
Terrell trat einen Schritt näher, aus der Reihe der Versammelten heraus, und gab Powell eine Erklärung: »Sie hat nach ihrem Anwalt verlangt.« Warum sollte Terrell Powell eine Erklärung geben?
»Ich habe keine Ahnung, wovon Sie reden«, sagte Powell zu Hardy.
»Ich werde Ihnen sagen, wovon ich rede.« Das Zimmer füllte sich immer weiter mit Leuten, die mit Kameras bewaffnet waren. »Ich rede über diesen Medienrummel. Ich rede darüber, daß Sie die Tragödie« - er zeigte auf Nancy, die in der Tür stand -, »die ganz persönliche Tragödie dieser Frau dazu benutzen, damit die Geschworenen vom Prozeß ihrer Tochter morgen beim Frühstück darüber lesen können und keineswegs zufällig Sie auf diese Weise noch einmal kurz vor dem Wahltag im Fernsehen auftreten.«
»Das ist doch lächerlich.«
»Das denke ich nicht, ich denke, ich liege goldrichtig. Ich denke, daß Sie Terrell damit beauftragt haben, im Shriners' Hospital hinter den Kulissen herumzusitzen, damit Sie, falls Jennifers Vater stirbt, seine Frau hier vor die Kameras zerren können ... Wie die Mutter, so die Tochter. Stimmt's?« Hardy verspürte den dringlichen Wunsch, daß der Staat Kalifornien seine Geschworenen an isolierten Orten abschotten würde.
Frank Batiste war ein ernsthafter, gestandener Cop, der von den höheren Chargen in den Schatten gestellt wurde, aber in diesem Zimmer das Sagen hatte, dies war sein Zuständigkeitsbereich. Er ging auf die Presseleute zu. »Würden Sie jetzt alle bitte vor die Tür gehen?« Er schob und drängte sie hinaus. »Einfach nach draußen. Danke schön.« Als die letzte Kamera draußen war, machte er die Tür zu, drehte sich um und unterdrückte ein Lächeln. »Ich bin sicher, die werden warten.«
Locke dachte, er könnte versuchen, das Kommando zu übernehmen. »Es ist die Entscheidung des Bezirksstaatsanwalts, ob jemand eines Verbrechens angeklagt wird oder nicht, nicht Sache der Polizeibehörde.«
»He, ich habe schon alles schriftlich festgehalten.« Manion - Bezirksstaatsanwalt hin oder her - hatte seinen Bericht geschrieben, und er hatte nicht die Absicht stillschweigend dabeizustehen, wenn sein Berufsethos in Frage gestellt wurde. »Wenn das keine Notwehr war, können Sie meine Dienstmarke haben.«
»Ich sage ja nicht, daß es das nicht war.« Locke versuchte, Hardys Ansicht nach, wie üblich abzuwiegeln, bis er herausgefunden hatte, aus welcher Richtung der Wind wehte. »Aber es ist meine Entscheidung.«
Hardy wollte das gar nicht bezweifeln, aber darum ging es nicht. »Warum ist Dean dann hier, Chris? Würden Sie das vielleicht mal erklären?«
Diese Frage traf ins Schwarze, aber Locke erholte sich schnell wieder. »Mr. Powell ist ein erfahrener Staatsanwalt. Er hat das Recht, anwesend zu sein.«
Batiste tat einen weiteren Schritt nach vorn.
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