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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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halbem Wege zum Mund an. »Mein Gott«, sagte er und setzte das Glas ab, »das ist eine andere Art von Juristerei.«
    »Ja, mit Aufsichtsratstreffen und Statuten haben wir wenig am Hut.«
    »Zum Tod, hm? Witts Frau, stimmt's?«
    »Das ist richtig. Jennifer.«
    Bachman pfiff lautlos durch die Lippen. Der Kellner kam. Er trug einen Smoking und stellte ein Glas auf den Tisch, das ganz nach Preiselbeersaft aussah. »Für mich nur das Tagesgericht, Klaus. Egal, was es ist.« Die begleitende Geste schloß Hardy mit ein.
    »Ist mir recht.« Als Klaus wieder gegangen war, sagte Hardy: »Ich will versuchen, daß die Richterin es auf lebenslänglich abmildert.«
    »Ich dachte, man legt Berufung ein. Pausenlos.«
    »Irgendwann schon«, sagte Hardy. »Falls es dazu kommt.« Er hatte nicht die Absicht, die Details zu erklären. »Jennifer erklärt, sie ist unschuldig und« - Hardy setzte für Bachman ein zerstreutes Grinsen auf - »ich bin nach wie vor geneigt, ihr zu glauben. Meine Aufgabe ist es also, dafür zu sorgen, daß der Richterin Zweifel kommen. Es muß gar keine große Sache sein ...«
    »Und Sie meinen, daß Witts Anruf bei mir ...«
    »Ich weiß es nicht, Mr. Bachman. Zu diesem Zeitpunkt ist es der einzige noch nicht umgedrehte Stein.«
    Irgendein anderer einflußreicher Macker kam am Tisch vorbei und packte Bachman freundlich an der Schulter. Er nickte geistesabwesend, lehnte sich dann in seinem Sessel zurück, griff nach seinem Saft. »Wenn das Ihre größte Chance ist ...« Er sah ein Weilchen zum Fenster hinaus, betrachtete die Aussicht. »Nachdem wir telefoniert hatten, habe ich gestern abend versucht, die Tagesprotokolle zu prüfen, aber ich kam erst heute früh in den Computer hinein.«
    Hardy wartete.
    Bachman faßte in die Innentasche seines Jacketts und holte zwei zusammengeklammerte und gefaltete Seiten hervor. Er strich sie glatt und reichte sie an Hardy weiter. »Ich habe Ihnen gleich meine ursprüngliche Zeitabrechnung auf die Rückseite kopiert - manchmal können sie meine Handschrift nicht entziffern.«
    Die erste Seite war ein Ausschnitt aus der getippten Zusammenstellung von Jody Bachmans Honorarabrechnung. Am 23. Dezember hatte er ab 18:10 der BMG 0,20 in Rech nung gestellt. In der Rubrik Inh./Bez. stand in Maschinen schrift: »Tel.ber.m/Witt. ???«
    Bachman übersetzte das. »Es handelte sich nur um ein tele fonisches Gespräch, um einige Fragen zu beantworten. Ich schätze, es kamen etwa zehn Anrufe oder so, und Witt war einer von ihnen.«
    »Wissen Sie noch, was er gefragt hat?«
    »Keine Ahnung. Ich habe es der Ärztegruppe in Rechnung gestellt, also muß es irgendwas mit der Aktienemission zu tun gehabt haben, aber was genau, kann ich nicht sagen. Tut mir leid.«
    Hardy warf einen Blick auf die Abrechnung. »Aber das Telefonat hat zwanzig Minuten gedauert, oder? Ist das nicht eine zu lange Zeit, um sich gar nicht mehr daran zu erinnern?«
    Zum erstenmal wirkte Bachman leicht pikiert - das freundliche Grinsen verschwand für einen kurzen Moment. Er spitzte die Lippen, trank ein bißchen Saft. Als er das Glas absetzte, hatte er sich wieder gefangen. »Das ist ein Mißver ständnis: 0:20 heißt nicht zwanzig Minuten. Geschickter weise erfolgt die Rechnungsstellung der Kanzlei in Zehntelstunden. Zwei Zehntel entspricht zwölf Minuten.« Er beugte sich vor und vertraute Hardy ein Geheimnis an. »Und selbst eine Sekunde über die sechs Minuten hinaus zählt als zwölf Minuten - wir runden auf. Der Anruf selbst mag durchaus noch nicht mal fünf Minuten gedauert haben ...« Sein Lächeln hatte jetzt alle Freundlichkeit eingebüßt. »Aber ich kann mich wirklich nicht entsinnen. Was soll ich denn sonst noch sagen?«
    Hardy überflog die handschriftliche Zeitabrechnung auf der Rückseite. Was auch immer nach dem Eintrag »Tel.ber.m/Witt« gestanden hatte - ungefähr zwei Zeilen -, war durchgestrichen worden.
    »Ich weiß.« Bachman, der Hardy die Seite durchlesen sah, antwortete, noch bevor Hardy die Frage stellen konnte. »Und die Antwort ist, daß ich keine Ahnung habe. Vielleicht hat mein Füller gekleckst, vielleicht hatte ich einfach eine unnötig lange Beschreibung notiert. Wir sind gehalten, uns kurz zu fassen. Sie sollten meine Sekretärin kennenlernen - sie macht mir die Hölle heiß, wenn ich mich wiederhole oder weitschweifig werde.«
    Hardy starrte einen weiteren nutzlosen Augenblick lang auf den durchgestrichenen Text. Er würde liebend gern das Original in die Hand bekommen und

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