Das Urteil
jemals ernstlich mit einem Arbeiter unterhalten hatte, sparte sich das aber. Das war nicht seine Sache, er hatte nicht vor, prägenden Einfluß auf Ms. Morency zu nehmen.
Plötzlich stand sie rasch aus ihrem Sessel auf und ging über die Pflastersteine. Beim Pavillon schnappte sie sich ein Handtuch und legte es sich über die Schultern, bedeckte ihr Oberteil. Es war nicht kühler geworden - die implizite Einladung, falls es eine gewesen war, wurde zurückgenommen.
Hardy stand auf. »Ich weiß es zu schätzen, daß Sie mit mir gesprochen haben.«
Sie kam zu ihm herüber und legte ihm die Hand auf den Arm. »Ich würde mir wirklich wünschen, daß Sie Jody in Ruhe lassen«, sagte sie. »Er hat das nicht nötig.«
»Danke, daß Sie sich die Zeit genommen haben«, sagte er. »Ich finde schon nach draußen.«
Das Telefon klingelte. Es war halb sieben auf der Uhr neben dem Bett, und zuerst wußte Hardy nicht, wo er war, dann nicht, ob es morgens oder abends war. Beim letzten Mal, als er am Tage eingeschlafen war, hatte er durchgeschlafen, bis es dunkel war, und für einen Augenblick fragte er sich, ob er es jetzt wieder getan hatte.
Er hob den Hörer ab. Es war Jody Bachman, der sympathische Jody Bachman. »Margaret hat mir erzählt, daß Sie sie besucht haben. Schade, daß ich Sie verpaßt habe. Und außerdem, hören Sie, diese andere Sache - daß ich Sie nie zurückgerufen habe. Was soll ich sagen? Ich hatte viel um die Ohren. Es ging zu wie im Tollhaus. Ich hab Ihre Nachricht in der Kanzlei gehört, als ich nachschaute, aber ich war schon spät dran für diese Veranstaltung. Sie wissen ja, wie es ist. Wollen Sie mich noch treffen?«
»Heute abend geht nicht. Ich kämpfe mit einer Erkältung.«
»Na gut, wie wär's mit morgen? Sind Sie da noch hier? Wenn Sie zum Mittagessen nichts vorhaben, ich habe einen Tisch im City Club. Gutes Essen. Eine noch bessere Aussicht. Paßt Ihnen zwölf Uhr?«
»Zwölf Uhr klingt prima«, gab Hardy zur Antwort.
»Also um zwölf. Wissen Sie, wo es ist?«
Hardy sagte, er werde es schon finden. Bachman sagte, er werde ihn dann dort sehen.
Er kollabierte erneut auf dem Bett. Als er die Augen schloß, hatte er das Gefühl, als bewege sich alles, als drehe sich das Zimmer um ihn. Er zwang sich dazu, sich aufzusetzen.
Irgend etwas war ihm entgangen. Es schien wichtig zu sein, vielleicht lebenswichtig, aber er konnte es nicht benennen. Und der Versuch nachzudenken war so anstrengend. Die Minuten verstrichen. Er nickte im Sitzen ein. Das Telefon läutete erneut.
»Bist du immer noch krank?«
»Ich bin immer noch krank.«
Frannies früherer Ärger war der Sorge gewichen. »Warum kommst du nicht heim, Dismas? Du solltest zum Arzt gehen.«
Er erzählte ihr von seiner Verabredung mit Bachman für morgen. So oder so würde das das Ende der ganzen Sache sein. Bis dahin mußte er noch bleiben.
Sie hörte auf, ihn zu drängen. Na schön, wenn er es unbedingt machen mußte. Den Kindern geht's gut, sagte sie. Rebecca vermißte ihn sehr - es war kein Versuch, ihm Schuldgefühle zu machen, lediglich eine Tatsache. Sie, Frannie -seine Frau, weißt du noch? -, vermißte ihn ebenfalls. Ob er bitte auf sich aufpassen, vorsichtig sein würde?
Er sagte, das werde er. Er hatte sowieso keine andere Wahl. So, wie er sich fühlte, konnte er ohnehin nirgends hin. Hermetisch in seinem Hotelzimmer abgeriegelt, würde er sich jetzt sofort hinlegen und schlafen. Er würde sie morgen sehen.
Im Bad schluckte er noch ein paar Aspirintabletten, trank zwei Glas Wasser dazu. Sein Gesicht im Spiegel war abgezehrt und bleich. Alles tat ihm weh. Er ging hinüber ans Fenster, um den Vorhang vorzuziehen. Auf den Straßen der Stadt lag purpurnes Abendrot. Weiter weg, am Mount Wilson, oben am Kamm der Berge von San Gabriel, war das orangerote, diamantgrelle Gleißen der letzten Sonnenstrahlen zu sehen, die im Gestrüpp glitzerten. Er legte den einen Arm an den Fensterrahmen und stützte sich müde ab.
Unter ihm auf dem Parkplatz stieg ein einzelner Mann aus dem Auto, schloß die Tür und ging zum Kofferraum. Er holte ein kleines Köfferchen hervor, sah sich auf dem Parkplatz um, klappte den Kofferraumdeckel zu und ging dann rasch und ohne eine überflüssige Bewegung los, ließ den Eingang zum Empfang links liegen und marschierte direkt unter dem Fenster in den Flügel, in dem sich Hardys Zimmer befand.
Genauso hatte er sich zu Hause gefühlt. Paranoid.
Aber das zu wissen, half nicht. Mit einemmal wurde ihm klar,
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