Das Urteil
schnappt Sie. Dann kriegen Sie nie im Leben einen neuen Kautionssteiler. Und schließlich haben Sie den ganzen Justizapparat davon überzeugt, daß Sie schuldig sind, und zweitens ...«
»B)«, warf Hardy ein.
»Und zweitens, hat man daraufhin ein höllisches Vorurteil gegen Sie. Es ist eine ganz, ganz schlechte Idee. An so etwas sollten sie noch nicht einmal denken.«
»Dabei hat sie gar keine Kaution, die sie sausen lassen könnte«, erinnerte ihn Hardy.
»Probt ihr Typen das eigentlich?« fragte sie.
Freeman kritzelte auf seinem Notizblock herum. Er sah hoch. »Hier steht, was ich bekomme - selbst wenn Sie Ihr Haus verkaufen und alles übrige versilbern, reicht es immer noch nicht. Wir wollen Ihnen helfen, aber ich fürchte, ich muß dem Richter mitteilen, daß wir den Fall abgeben ...«
Jennifer sah ihnen trotzig ins Gesicht. »Ich habe noch mehr«, sagte sie. »Es gibt noch ein anderes Konto.«
Freeman hielt im Zusammensuchen seiner Papiere inne. Hardy zog einen Stuhl heran und setzte sich rittlings darauf. »Was meinen Sie damit, ein anderes Konto?« fragte Freeman.
Jennifer sah zu Boden, schluckte. War offensichtlich nervös. »Manchmal... hatte ich einfach nicht den Eindruck, daß Larry und ich es packen würden, wissen Sie? Und ich dachte mir, na ja, falls ich auf eigenen Beinen stehen müßte, mit Matt, meine ich ...« Sie sah erst den einen Mann an, dann den anderen. »Ich meine, ich hatte einfach das Gefühl, daß ich mir lieber etwas für mich und Matt zurücklegen sollte. Nur für den Fall, daß ...«
»Nur für den Fall, daß was?« Freeman starrte sie an. »Na ja. Sie wissen schon, wie ich gesagt habe, für den Fall, daß es nicht klappen sollte mit Larry und mir. Falls ich weglaufen müßte oder sonstwas...«
»Weglaufen wovor?« Freeman erinnerte sich daran, was der Psychiater Lightner über körperliche Mißhandlung gesagt hatte.
»Wollen Sie damit sagen, daß Ihr Mann Sie verprügelt hat?« fragte Hardy. »Das haben Sie nie ...«
Jennifer hob die Hand ans Gesicht, als wollte sie nach blauen Flecken fühlen, die ihr wieder in den Sinn gekommen waren. »Nein, das hat er nicht, nicht wirklich, aber, Sie wissen schon ... trotzdem, falls ich es jemals wirklich brauchen sollte ...«
Sie brachte es unter Gestotter ans Licht. Sie hatte seit rund neun Jahren Geld abgezwackt und gehortet. Trotz Larry, der alles im Griff behielt, war es ihr gelungen, »hier ein bißchen, da ein bißchen« abzuzweigen, ein bißchen zu übertreiben, was sie für Matt ausgegeben hatte, für Spielzeug, Bekleidung, Make-up, Inneneinrichtung, alles, was ihr einfiel. Die Zahlen hatten sich zuletzt bis auf rund tausend Dollar pro Monat summiert, und sie hatte gelernt, das Geld in riskante Aktiengeschäfte zu investieren, so daß sich das Konto jetzt auf beinahe dreihunderttausend Dollar belief, unbelastet und flüssig. »Nun«, sagte Freeman und erlaubte sich ein Lächeln, »wenn Sie uns immer noch haben wollen, Mrs. Witt, dann können Sie auf uns zählen.«
Hardy lächelte nicht. Jennifers Enthüllung, egal wie gerechtfertigt Jennifer sie hinstellen mochte, lag ihm noch immer im Magen. Um die Wahrheit zu sagen, er hätte lieber gar nichts davon gewußt.
6
»Erzählen Sie mir was über Larry Witt.«
Jennifer und Freeman saßen einander am Tisch gegenüber. Hardy spielte an der Innenseite der Tür Mäuschen. Freeman hatte aus seiner Aktenmappe eine Thermoskanne Kaffee hervorgezogen, und jetzt standen drei dampfende Styroporbecher auf dem Tisch.
»Was wollen Sie wissen? Über ihn und mich?«
»Ich will alles wissen.« Freeman hatte sein Sakko und einen Arm über die Stuhllehne drapiert. Er saß krumm und schief da, sein Hemd war ihm halb aus der Hose gerutscht. »Aber ich schätze mal, wir sollten damit anfangen, wie oft er Sie ver prügelt hat.«
Jennifer blinzelte, fing sich dann wieder. Sie riß die Augen auf, richtete sie auf Freeman, bevor sie auf Hardy zur Ruhe kamen. »Ich habe gesagt, daß wir uns gestritten haben, nicht, daß Larry mich verprügelt hat.«
Freeman streckte die Hand aus, nach hinten, wo Hardy stand, verwehrte ihm die Antwort. Er sprach in beruhigendem Ton. »Aber er hat Sie verprügelt?«
»Ich sehe nicht, wieso das eine Rolle spielen sollte.«
Freeman sprach mit leiser, überzeugender Stimme weiter. »Es spielt eine Rolle, Jennifer, weil es ihnen eine Verteidigung ermöglicht. Es gibt den Geschworenen etwas, an das sie sich halten können.« Hardy mußte notgedrungen Notiz davon nehmen,
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