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Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
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hörte ihr mit halboffenem Mund und ungläubig zu. »Natürlich müßtest du mir ebenfalls helfen, wenn du kannst.«

12
    Auf halbem Wege von der Van Ness Avenue zum Strand war »Miz Carter's Mudhouse« schon seit einem halben Jahrhun dert ein Wahrzeichen der California Street. Mud, also Schlamm, besagte Kaffee, der manchmal so dickflüssig war wie türkischer Mokka, und bevor die Yuppies gegen Ende der siebziger Jahre auf Espresso abgefahren waren, galt das Mudhouse als der beste Laden für eine Tasse Java in der gesamten westlichen Hälfte der Stadt. Louanne, Miz Carters Tochter, bereitete ihren mud immer noch auf die altbewährte Weise zu, rührte die gemahlenen Kaffeebohnen ins kochende Wasser und seihte dann beim Einschenken ab. Das Zeug konnte einen von den Toten auferwecken.
    Was Hardy bitter nötig hatte. Er und Frannie waren nicht weniger als sechsmal von ihren zwei kleinen Lieblingen aufgeweckt worden, die Bäumchen-wechsel-dich-spielten - Rebecca mit einer Ohrenentzündung und leichtem Fieber, und Vincent, der gestillt werden wollte. Es war zwar alles recht lustig mit den Kindern, aber insgesamt waren sich die Hardys einig, daß sie schon bessere Zeiten erlebt hatten.
    Glitskys Beschreibung von Walter Terrell - ein Weißer, braunes Haar, Schnurrbart - traf nicht ganz den Nagel auf den Kopf. Er war dunkelhäutiger, irgendwie südländisch, überhaupt nicht der Typ, den Hardy von der Uni her im Kopf gehabt hatte. Hardy hatte seine Aktenmappe als Erkennungszeichen auf den Tisch gelegt, und Terrell kam herein und nahm ihm gegenüber Platz.
    Er war jünger, als Hardy erwartet hatte, vielleicht zweiunddreißig oder in dem Dreh. Mit seinen einundvierzig kam sich Hardy nicht alt vor, aber es beunruhigte ihn, daß so viele Leute, mit denen er beruflich zu tun hatte, plötzlich soviel jünger waren und daß es ihm auffiel.
    Terrell hatte neue Reeboks an, dazu abgetragene Levis und ein gebügeltes, elegantes Hemd mit schmalen kastanienbraunen Streifen unter seiner Jacke mit der Aufschrift »Members Only«, die ihm großartig paßte. Trotz Glitskys Gefühlen Terrell und seinen Theorien gegenüber mußte der Kerl irgendeinen Rekord aufgestellt haben, wenn er es bereits jetzt geschafft hatte, bei der Mordkommission zu enden.
    Nachdem ihm die Bedienung den Kaffee eingeschenkt hatte, nahm Terrell einen Schluck und schüttelte sich, kippte dann Zucker in die Tasse, als ob es kein Morgen mehr gäbe. »Was für ein Name ist eigentlich Dismas?« Er nippte erneut an seinem mud. Und rührte weiter um.
    Hardy erklärte zum tausendsten Male, daß der gute Räuber auf dem Kalvarienberg Dismas geheißen hatte. Er ließ unter den Tisch fallen, daß Dismas zudem der Schutzpatron der Mörder war. »Das einzige, was ich mir denken kann, ist, daß mich meine Eltern für irgendwas bestrafen wollten. Wenn ich daran denke, daß sie mich Bill hätten taufen können oder Jack ...«
    Terrell verzog das Gesicht. »Ja, ich weiß schon, alles außer Sue.« Er probierte erneut seinen Kaffee und legte dann den Löffel aus der Hand. »Das Zeug ist echt scheußlich«, sagte er. »Trinken das die Leute hier jeden Tag?«
    »Jeden Tag.«
    »Scheußlich.« Er zeigte auf Hardys Aktentasche. »Haben Sie sich die Sache mit Ned schon angesehen?« Hardy nickte. Er hatte sich gestern abend den Exhumierungsbericht des Gerichtsmediziners über Edward (Ned) Hollis durchgelesen, nachdem er und Frannie die Kinder ins Bett gebracht hatten, was ihm bei seiner Frau, die nach einem Tag ohne Gesellschaft von Erwachsenen mehr oder weniger erwartet hatte, daß er den Abend mit ihr verbringen würde, wieder einmal etliche Pluspunkte eingebracht hatte.
    Das Lächeln und die lockere Attitüde waren nicht völlig überzeugend. Der Mann hier war ein hochintelligenter Polizist. Er konnte so freundlich auftreten, wie es nur ging, aber er hatte keine Lust, sich von irgendeinem Schlaukopf von Strafverteidiger das Fell über die Ohren ziehen zu lassen, selbst wenn er zufällig ein Freund von Abe Glitsky war.
    Aber Hardy nickte nur erneut. Hier gab es keine Schlacht zu gewinnen. »Ich schätze mal, daß ich einfach versuche, Ned irgendwie auf die Reihe zu bekommen. Jennifer scheint nicht viel über ihn zu sagen zu haben. Man hat also das Atropin gefunden?«
    Terrell zeigte mit dem Finger auf die Aktentasche. »Steht das da drin?«
    »Ja, aber was heißt das?«
    Es war das erste Mal, daß Hardy ihn überrascht hatte. »Was wollen Sie damit sagen, was heißt das?«
    »Man hat eine

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