Das Urteil
Briefe, Broschüren, Computerausdrucke, Computerdateien, Diagramme, Disketten, Fernschreiben, Filmaufnahmen, firmeninterne sowie firmenexterne Mitteilungen, Flugblätter, Fotografien, Gebrauchsanweisungen, Genehmigungen, Grafiken, Gutscheine, Handbücher, Hausmitteilungen oder sonstige interne Veröffentlichungen, Hochrechnungen, Kalender, Kassenbücher, Kaufverträge, Kostenvoranschläge, Landkarten, Lizenzen, Meinungen, Memoranden aller Art, Mikrofilme, Normen, Notizen, Notizbücher, Organisationspläne, Patentbeschreibungen, Pläne, Rechnungen, Richtlinien, Schreibtischkalender, Schriftwechsel, Spezifikationen, statistische Auswertungen, Stellenausschreibungen, stenographische Mitschriften, Steuererklärungen oder Steuerunter lagen, Tabellen, Tagebücher, Telegramme, Termin kalender, Tonbandaufzeichnungen, Untersuchungen jeder Art, Verhandlungsprotokolle, Veröffentlichun gen, Verträge, Verzeichnisse, Videobänder, Werbe material, Zeichnungen aller Art, Zeitpläne, Zirkulare, Zusammenfassungen.
Und dazu noch eine Meise im Maulbeerbusch. Und jetzt hatte er dieses Blatt Papier mit einem Datum, einer Telefonnummer und dem Wort »Nein!!!« darauf als Dokument bezeichnet, das Wort war ihm ohne jede Zensur über die Lippen gegangen wie Wasser, das durch ein Sieb geschüttet wird. Das gefiel ihm ganz und gar nicht.
Rhea, die Frau, die Jennifer Witt ähnlich sah, hatte ihren Jimmy so lange durchs Telefon angebrüllt und angeflucht, daß sie zuletzt, als die Wärterin hereinkam und ihr den Apparat wegnahm und den Hörer auflegte, einfach den Kopf geschüttelt hatte und stumm in ihre Zelle zurückgegangen war. Jennifer, die in der Nachbarzelle saß, stützte sich auf ihrer Pritsche auf dem Ellbogen hoch.
»Das klang aber nicht so sehr gut.«
»Der Scheißer!« Nach einer Pause von 30 Sekunden fand Rhea die Sprache wieder. »Der Schwanzlutscher Jimmy sagt, ich muß hier drin noch ein paar Tage, vielleicht eine Woche lang abwarten! Vielleicht eine Woche! Scheiße! Wenn er irgend 'ne andere Schlampe bumst, bring ich ihn um, den Hurensohn!«
»Was hat er denn gesagt?« Jennifer hoffte, ihre Ruhe würde ansteckend sein. Diese Art der Sprache war in Ordnung, wenn alle lachten, herumalberten, zusammen waren. Aber sobald sich Wut darunter mischte, erinnerte es sie an zu viele andere Gelegenheiten - mit Larry, mit anderen Männern, mit dem, was als nächstes kam. Allein schon, wenn sie Rhea so herumschreien hörte, krampfte sich ihr der Magen zusammen. Sie zog die Beine an den Körper und versuchte es sich auf der mit Flecken übersäten Matratze bequem zu machen, versuchte zu verhindern, daß der Krampf sich festsetzte. »Ging's um die Kaution?«
»Der Scheißer!« Rhea schnappte sich den Plastikbecher, in dem sie ihr Plastikbesteck und ihren Wegwerfrasierer und ihre Zahnbürste aufbewahrte, und schmiß ihn gegen die Gitterstäbe.
»Rhea, hör auf! Hör bitte auf!«
Sie hörte auf zu toben, hörte auf zu fluchen. Aber als sie das tat, stand sie mit einemmal am Rand ihrer Zelle, wo sie sich auf den Fußboden fallen ließ und leise weinte.
Nach einer Minute oder zweien streckte Jennifer die Beine aus, sprang von der Pritsche hinunter und ging hinüber zur Nachbarzelle. »Hat er etwa die Kaution nicht zusammenbe kommen?«
Rhea schüttelte stumm den Kopf. »Er hat gesagt, es würde höchstens ein paar Tage dauern. Jetzt sagt er, daß er ohne mich kaum noch was verdient und es eben länger dauert. Was sagst du dazu? Ohne mich verdient er kaum noch was!« Sie über ließ sich wieder ihren stummen Tränen.
»Wieviel brauchst du denn?« fragte Jennifer.
Das Weinen beruhigte sich, wurde zu einem Schniefen, hörte ganz auf. »Was?«
»Wie hoch war denn deine Kaution, was hast du gesagt? Fünftausend?«
Sie nickte. »Wieso?«
Jennifer saß auf dem Fußboden, hatte die Knie an den Kör per gezogen, die Arme darumgelegt. Sie hatte bereits eine Menge darüber gelernt, wie es im Knast ablief. Clara kannte sich bestens aus, Mercedes ebenso. Wenn man genug Mumm und Geld hatte und entsprechend verzweifelt war, konnte man die Wärter bestechen, einiges in Bewegung setzen. Es war schon früher geschehen, etliche Male.
»Ich bin mir nicht ganz sicher«, sagte Jennifer, »aber vielleicht kann ich ihm dabei helfen, es zu beschaffen. Sie sprach so leise, wie sie nur konnte, und wagte einen Seitenblick auf Rhea. Falls sonst irgendjemand sie gehört haben sollte, wollte sie abstreiten können, überhaupt etwas gesagt zu haben. Aber Rhea
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