Das Urteil
Konzentration von Atropin vorne auf dem rechten Oberschenkel gefunden. Was ein Hinweis sein könnte, daß das Mittel gespritzt wurde?«
»Richtig.«
»Na schön, das will ich gerne zugeben, aber was deutet darauf hin, daß Jennifer es ihm gespritzt hat?«
Terrell versuchte erneut den Kaffee, ließ den scheußlichen Geschmack unbeachtet. »Er hat es sich nicht selbst gespritzt. Atropin macht einen nicht high.«
»Na schön, aber noch einmal, was heißt das? Vielleicht wollte er sich umbringen. Vielleicht ist es ihm auch gelungen. Die Frage, die sich mir stellt, ist, ob es noch irgend etwas gibt, das ich überhaupt nicht mitbekommen habe, weil ich nicht begreife, wieso das zu einer Mordanklage geführt hat.«
Terrell mußte offensichtlich an sich halten. Sein Gesicht lief rot an. »Das Ganze hat zu einer Anklage wegen Mordes geführt, weil es Mord gewesen ist. Ihre Jennifer hat ihn alle gemacht und fünfundsiebzig Riesen kassiert.«
Hardy versuchte freundlich zu bleiben. »Ich behaupte ja gar nicht, daß sie es nicht getan hat. Ich frage mich nur, was für Beweise ... ob Sie Beweise dafür haben, daß sie es war, die Ned die Spritze verpaßt hat. Wie wollen Sie überhaupt wissen, will ich damit nur sagen, daß sie im Zimmer war?«
»Sie war im Zimmer. Sie hat ihm reichlich Alkohol und Koks verabreicht, bis er die Besinnung verlor, und dann hat sie ihm die Spritze reingejagt. Dann war er tot, der Gerichtsmediziner findet eine tödliche Dosis Koka-Ethylen und vergißt, nach anderem Zeug zu suchen, das Ned sonst noch umgebracht haben könnte, wie das Atropin.« Er tippte energisch mit einem Finger auf die Tischplatte. »Das ist es, was passiert ist, Mr. Hardy. Darauf können Sie sich verlassen.«
Daß Terrell wieder »Mr. Hardy« sagte, war kein gutes Zeichen, und es lag keinesfalls in Hardys Absicht, den Mann vor den Kopf zu stoßen. »Ich behaupte ja gar nicht, daß es nicht so War. Den Staatsanwalt hat es überzeugt - er hat deswegen Anklage erhoben. Aber ich habe den Eindruck, daß die Staatsanwaltschaft noch mehr gehabt haben muß.«
Terrell, der noch ein Neuling bei der Mordkommission war, befand sich jetzt in der Defensive, wurde aber auch etwas umgänglicher und wollte gern zeigen, daß er alles richtig gemacht hatte.
»Es gab auch noch mehr, sie hat doch noch mehr bekommen. Ich hab der Staatsanwaltschaft doch Harlan Poole besorgt, oder nicht?«
»Ihren Liebhaber, den Zahnarzt? Wie haben Sie denn den aufgetan?«
»Ich hab seinen Namen ein paarmal in den Aussagen gesehen, die Jennifer in Neds Akte gemacht hatte. Also bin ich los und hab mich mit ihm unterhalten.« Terrell, der ganz heiß darauf war, seine Vorgehensweise zu erklären, beugte sich über den Tisch. »Wenn man bei der Polizei ist, wissen Sie, kommt es manchmal darauf an, den richtigen Riecher zu haben. Ich will damit sagen, manchmal weiß man einfach, was abgelaufen ist, stimmt's? Also nimmt man das als Ausgangspunkt und zwickt ein bißchen an der richtigen Stelle, und schon tut sich was.«
»Und Sie haben Poole gezwickt?«
Terrell machte die Erinnerung daran offensichtlich einen Heidenspaß. »Da brauchte man nicht groß zu zwicken. Der Typ ist ein gemachter Mann, vielleicht Anfang Vierzig, hat Frau und drei Kinder. Ich hab ihm gesagt, daß wir die Sache mit ihm nicht an die große Glocke hängen, sofern er sich kooperativ zeigt und uns erzählt, was er weiß. Der Knabe hat gesungen wie ein Zeisig.«
»Und hat was erzählt?«
»Hat mir erzählt, daß er das Atropin einen Tag, nachdem Jennifer am späten Abend zu einem kleinen Schäferstündchen in die Praxis gekommen war, vermißt hat. Offenbar haben die beiden es im oder auf - das war nicht ganz klar -dem Behandlungsstuhl miteinander getrieben.« Terrell mußte grinsen. »Ich hab den Eindruck, daß der Knabe und seine Frau es nicht mehr allzuoft auf diese Weise treiben. Jedenfalls konnte er sich auf die ganze Sache keinen rechten Reim machen, bis der Göttergatte Ned mit einemmal tot war, u nd dann kam er zu dem Schluß, daß Jennifer die Sache auf dem Kerbholz hatte, und daraufhin machte er sich vor Schiß fast in die Hosen und gab ihr nach und nach den Laufpaß, wie er sagt.«
»Weil er glaubte, daß sie Ned umgebracht hatte?«
»Ja, weil sie Ned umgebracht hat.«
Hardy lehnte sich zurück. Um etwas Zeit zu gewinnen, hob er seine Tasse und kippte den Kaffeesatz hinunter, zog eine Grimasse dazu. Irgendein entscheidendes Steinchen fehlte hier noch. »Das muß ich erst auf die Reihe
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