Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Urteil

Das Urteil

Titel: Das Urteil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John T. Lescroart
Vom Netzwerk:
Ecken.
    Er wußte nicht recht, ob er sich die Überreste von Blutflecken nur einbildete - es wurde immer dunkler, also schaltete er das Deckenlicht an. Es verlosch mit einem leisen Knall.
    Es gab noch weitere Lichtquellen auf den Nachttischchen zu beiden Seiten des etwas zurückversetzten Kopfbrettes des Bettes, also ging er rasch - schreckhaft - zu einem der Tischchen und drückte auf den Knopf. Schon besser. Er ging ums Bett herum und schaltete die zweite Lampe ein. Er bückte sich und prüfte den weißen Vorleger, fuhr mit der Hand über das, was ein Fleck gewesen sein mochte. Wie ein Teil von ihm ge wußt hatte, blieb nichts haften, und doch empfand er das als eine sonderbare Erleichterung.
    Hardy stand wieder auf, hielt sich jetzt sicherer auf den Beinen als vorher. Er schaltete das Licht im angrenzenden Badezimmer an und sah sich um. Wiederum kein Anzeichen dafür, daß irgend jemand es betreten hatte, seit saubergemacht worden war. Nachdem er die Lampen am Bett ausgeknipst hatte, machte er an der Tür zum Gang halt, um einen letzten Blick in das schattenerfüllte Zimmer zu werfen, in dem die Morde passiert waren.
    Am Ende des Gangs war noch eine Tür, die letzte Tür auf der linken Seite. Das Deckenlicht, das diesmal anblieb, zeigte ein unpersönliches Arbeitszimmer mit einem Rollcontainer, Karteikästen und einem kleinen Bücherregal, auf dem medizinische Fachzeitschriften und Wirtschaftsmagazine standen. Mittelpunkt des Zimmers war ein tadellos aufgeräumter schwarzer Schreibtisch mit einer neuen, in grünes Leder gebundenen Schreibunterlage. Hardy setzte sich an den Tisch.
    Ganz offensichtlich hatte auch dieses Zimmer niemand mehr betreten. Der Staub lag in einer dicken Schicht auf der Schreibtischplatte. Hardy fragte sich, ob die Polizei wohl ein Verzeichnis der Gegenstände in diesem Zimmer erstellt hatte, und begriff, daß das vielleicht gar nicht nötig gewesen war. Jennifer, so fiel ihm wieder ein, hatte dieses verdammte Verzeichnis zur Verfügung gestellt und dabei »vergessen«, daß die Pistole fehlte.
    (Und selbstverständlich konnte sie ja gut und gerne annehmen, daß sie gar nicht fehlte, wenn sie nie wieder einen Fuß in das Schlafzimmer gesetzt hatte. Das konnte ein entscheidender Punkt sein. Er mußte sie fragen und machte sich noch eine Notiz.). Als Hardy jetzt, wo die Sonne so gut wie vollständig hinter dem jalousienbewehrten Fenster über dem Schreibtisch untergegangen war, dasaß, versuchte er sich vorzustellen, wie es gewesen sein mochte, hier zu wohnen. Das Ausmaß an Kontrolle und Disziplin, das überall spürbar war, schuf genau die Art von Umfeld, in dem es unmöglich war, Dampf abzulassen, auch nicht allmählich. Wenn sich hier Emotionen zu sehr an stauten, fanden sie kein Ventil, mußten sie sich in einer Explo sion entladen.
    Er hatte seinen gelben Notizblock zum Schreiben der letzten Notizen auf die Schreibunterlage gelegt, und als er nun hinaus auf den Streifen Ozean am Horizont starrte, wurde ihm bewußt, daß er mit der linken Hand an der Unterlage herumgezupft hatte. In der oberen linken Ecke, unter dem Dreieck aus Leder, lugte ein Zettel hervor. Er zog ihn heraus.
    Es handelte sich um ein Blatt Papier aus einem Spiralblock im Hemdentaschenformat. Die Kante war ausgefranst, wo man den Zettel abgerissen hatte, was einem bei Larry Witt fast ein bißchen untypisch vorkam - diese Unregelmäßigkeiten an der Kante, so hatte Hardy allmählich den Verdacht, müßten für Larry eigentlich unerträglich gewesen sein. Er hätte sie wohl mit der kleinen präzisen Schere an seinem Schweizer Offiziersmesser abgeschnitten.
    Hardy sah sich angesichts seiner Phantasien zu einem verächtlichen Lächeln veranlaßt. Es gab Wichtigeres - auf dem Zettel war das Datum vermerkt, »23. Dezember«, dazu das e inzelne Wort »Nein!!!«, das zusätzlich zu den drei Ausrufungszeichen noch doppelt unterstrichen und obendrein umzingelt war. Und darunter stand eine Telefonnummer mit der Vorwahl 213 - das Stadtzentrum von Los Angeles.
    Hardy wählte die Nummer.
    »Anwaltskanzlei.«
    Natürlich, dachte er bei sich. Er nannte seinen Namen und bat darum, mit dem Bürovorsteher verbunden zu werden. laut seiner Uhr war es zehn vor sechs an einem Donnerstag abend, aber Anwaltskanzleien begaben sich nie zur Ruhe - sein Gegenüber zögerte keine Sekunde. Die Empfangsdame sagte, daß Ms. Klein sofort mit ihm sprechen werde.
    Es dauerte zwar länger als nur einen Augenblick, war aber bald genug. Entweder hatte Ms.

Weitere Kostenlose Bücher