Das Urzeit-Monstrum
gefüllt war, von der Farbe heller als der des Körpers.
Ein weißlichgelber Schleim, eine bleiche Masse, mit der das Loch vollgestopft worden war. Nicht in klaren Farben gemalt, sondern etwas verschwommen, als sollte niemand hineinschauen können. Dennoch entdeckte der Maler in dem Auge etwas. Natürlich bewegte es sich nicht, aber es war perfekt hineingemalt worden, in weichen und auf keinen Fall grellen Farben, so daß es erst bei genauerem Hinsehen zu erkennen war.
Beckmann schaute genau hin. Er bückte sich. Daß er anfing zu zittern, lag nicht an ihm, sondern an diesem Motiv inmitten des Auges. Er sah es jetzt deutlich. Er konnte gut erkennen, daß ein Mensch in dieses Auge hineingemalt worden war.
Ein Mann.
Aber nicht irgendeiner. Dieser Mann war er selbst!
***
Harry Stahl hatte seine schmutzige Kleidung vor dem Telefongespräch mit London nicht gewechselt. Er hatte sich in das Deich-Hotel, so hieß dieses wunderschöne Schmuckstück in Keitum, das auch als Insel auf der Insel bezeichnet wurde, hineingeschlichen, hatte sich den Schlüssel vom Brett an der Rezeption geklaubt und war dann durch den mit hellem Teppichboden ausgelegten Gang hinüber in das nächste Haus gegangen, in dem sein Zimmer lag.
Er mußte noch eine Treppe hoch, erreichte einen schmalen Gang, hörte die Stimmen zweier Zimmermädchen und sah zu, daß er rasch in seinem Zimmer verschwand.
John Sinclair hatte er erreicht, und John hatte ihm auch versprochen, so schnell wie möglich – das war am nächsten Tag – auf der Insel einzutreffen.
Harry wußte, daß er mit ihm im selben Hotel wohnen konnte, und er ging davon aus, daß sie das Rätsel gemeinsam lösen würden.
Alles war klein und sehr gemütlich in diesem Haus. Hier paßten die Dinge noch zueinander. Wer hier wohnte, der fühlte sich als Mitglied einer großen Familie, wozu das freundliche Personal und die Eigentümer, Vater und Sohn Claasen, viel beitrugen.
Harry betrat das nicht besonders große, aber pieksaubere Bad und zog dort seine gefütterte Windjacke aus, ebenso die Schuhe und die Hose.
Dann nahm er die Sachen mit zum Fenster im Wohnraum, holte auch noch eine Bürste aus einem Koffer und bürstete den getrockneten Dreck ab.
Der Staub rieselte auf das Reetdach. Harry reinigte die Kleidung so gut wie möglich. Die letzten Flecken wischte er mit warmem Wasser aus.
Dann hängte er die Hose zum Trocknen über einen Stuhl und zog die Ersatzjeans an.
Er nahm in seinem Zimmer Platz. Auf dem kleinen Tisch vor ihm stand das Telefon. Er hob den Hörer und wählte seine ›Firma‹ an, denn man erwartete von ihm Zwischenberichte. Während er die Geheimnummer tippte, formulierte er in Gedanken den Text, den er mitteilen wollte.
Er mußte sich zunächst durch ein Kennwort identifizieren, wurde dann weiterverbunden und wußte nun, daß sein Gespräch nicht abgehört werden konnte. Dafür sorgte ein elektronischer Zerhacker in der Zentrale.
Es war ein geheimer Dienst, für den Stahl arbeitete, der sich noch im Aufbau befand. Wer für diese Organisation arbeitete, kümmerte sich zumeist um Dinge, die den Rahmen des Normalen sprengten. Es gab genügend Fälle, die nicht in das normale polizeiliche Raster hineinpaßten, und Harry war so etwas wie John Sinclair in London, der als Yard-Beamter den dämonischen und übersinnlichen Vorgängen nachging und es dabei mit Welten zu tun bekam, die völlig anders und auch oft unbegreiflich waren.
»Guten Tag, Herr Stahl«, hörte Harry eine neutral klingende Stimme, daß er sogar überlegte, ob er nun mit einem Menschen oder mit einem Computer redete.
»Ja – ebenfalls guten Morgen.« Der andere kam sofort zur Sache.
»Hatten Sie Erfolg bei Ihren Bemühungen, Herr Stahl?«
»Nicht direkt.«
»Was heißt das?«
Harry Stahl verdrehte die Augen. Er wußte, daß man seiner vorgesetzten Dienststelle nur mit Fakten kommen konnte, und so fragte er sich, ob ihm der Typ am anderen Ende der Leitung seinen Bericht abnehmen würde. Sprechen würde er ihn. Jedes Gespräch wurde automatisch aufgezeichnet, da ließ man am besten persönliche Dinge außen vor.
»Ich habe die verschwundenen Personen nicht gefunden, das vorweg.«
»Schade, Herr Stahl, wir hätten uns über eine rasche Lösung dieses Falls sehr gefreut.«
»Er ist aber komplizierter.«
»Weiter bitte.«
»Und deshalb habe ich mit London telefoniert.«
Der andere Typ zeigte sich gut informiert. »Sinclair?«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich will Ihnen berichten, was mir widerfahren
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