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Das Urzeit-Monstrum

Das Urzeit-Monstrum

Titel: Das Urzeit-Monstrum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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dort hineinschauen können.
    Man hat dir einen Blick in die Welten gegönnt, die anderen verschlossen geblieben sind. Man hat dich auf irgendeine Art und Weise hervorgehoben, also bist du für gewisse Dinge prädestiniert.
    Er redete sich immer wieder diese Sätze ein, damit er sie auch ja glaubte. Er brauchte ein positives Gefühl, um die nächste Zeit gut überstehen zu können. Ansonsten sah es nicht gut aus für ihn, das wußte er genau.
    »Ich bin nicht mehr allein!« Flüssig glitten die Worte über seine Lippen.
    Er wiederholte sie. »Ich bin nicht mehr allein. Ich bin nicht mehr allein…«
    Er trat vom Fenster zurück. Auf der Scheibe blieben seine Handabdrücke kleben. Rechts stärker als links, und in seinen Augen lag plötzlich ein Leuchten.
    »Du bist ich, und ich bin du!«
    Mehrmals wiederholte er diesen Satz, und dabei nickte er, als wollte er ihn bestätigen.
    Ja, so war es. Es gab noch eine andere Kraft, die sich ihm aber erst jetzt offenbart hatte. Oder war es die Kraft gewesen, die ihn hatte entstehen lassen?
    Auch das lag im Bereich der Möglichkeiten, denn der Maler gehörte nicht zu den gläubigen Menschen. Bei ihm traf das Gegenteil zu. Er hatte schon immer alles, was mit dem christlichen Glauben zusammenhing, gehaßt. Das war sogar so weit gediehen, daß er stets einen Umweg gemacht hatte, wenn er eine Kirche auch nur sah. Auch die in Keitum hatte er nie besucht. Der Anblick ärgerte ihn sogar. Dabei konnte Beckmann nicht mal einen Grund für diesen Haß nennen, er war einfach vorhanden – und das war schon immer so gewesen.
    Ja, seltsam. Denn niemals hatte er sich Gedanken darüber gemacht, wo er eigentlich herstammte. Er war in einem Heim aufgewachsen, das wußte er schon, aber er war nie richtig Kind gewesen. Oder war das Heim auch nur Einbildung gewesen, weil er sich aufgrund seines Berufes eine Biographie hatte zurechtbasteln müssen?
    Wahrscheinlich. Er würde es heute zumindest nicht mehr abstreiten.
    Aber so aufgewachsen wie alle anderen Menschen war er nicht. Je länger sich Boris an seine Kindheit zu erinnern versuchte, um so dichter wurde der Nebel, der alles auslöschte.
    Er ging durch sein Wohnzimmer und fühlte sich viel besser als noch vor ungefähr einer halben Stunde. Er hatte den Eindruck, aufgestiegen zu sein. Jetzt stand er weit oben an der Spitze, und zum erstenmal seit langem huschte ein Lächeln über seine Lippen.
    Es ging ihm gut, sogar sehr gut…
    Er sah noch den Whisky im Glas, trank ihn, schüttelte sich und stellte das jetzt leere Glas wieder weg. Sein Leben war wieder top. Es ging weiter. Er hatte einen großen Graben überschritten und konnte wieder aufatmen.
    Der Traum hatte ihm den richtigen Weg gewiesen. Er hatte ihn zurückgeführt in seine Phantasien, und nun wußte er, woher die Motive für seine Bilder stammten. Sie waren nicht nur in ihm verborgen gewesen, sondern auch in einer anderen Dimension oder Welt.
    Er würde von nun an seine Werke mit ganz anderen Augen betrachten.
    Nachdem er diesen Vorsatz gefaßt hatte, machte er sich auf den Weg zu seinem Arbeitszimmer. Beinahe beschwingt stieg er die Stufen der Treppe hoch und trat hinter der letzten hinein in seine düster gewordene Arbeitswelt, in die bereits die Dämmerung einen Gruß durch das große Fenster geschickt hatte.
    Vor dem Bild blieb er stehen.
    Der Krake hatte sich nicht verändert. Auch das Auge war geblieben, er schaute wieder hinein – und er sah sich selbst darin. Nur erschreckte ihn dieser Anblick nicht mehr, denn Boris wußte, daß er etwas Besonderes war. Er lächelte sogar. Die Augen glänzten matt, er nickte seinem Werk zu – und er stand plötzlich steif, als er sah, daß sich die Gestalt im Auge ebenfalls bewegt und ihm zugenickt hatte.
    Da gab es eine Übereinstimmung zwischen ihm und seinem verkleinerten Ebenbild.
    Wahnsinn – unerklärbar, aber nicht reizlos. Es war der nächste Schritt in die neue Lebensphase, und er freute sich darüber wie ein kleines Kind auf Weihnachten.
    Es würde alles gut werden, wobei er sich dann noch die Frage stellte, ob es bisher schlecht gewesen war. Nein, auf keinen Fall. Es wäre ungerecht gewesen, hätte er dem zugestimmt. Bisher war es ihm gut gegangen. Er hatte dank seiner künstlerischen Fähigkeiten ein wunderbares und sorgenfreies Leben führen und sich sogar ein nicht eben preiswertes Haus auf der Insel bauen können.
    Alles klappte, alles lief, alles würde weiterlaufen.
    Dieser Tag und die Nacht davor waren entscheidend gewesen.
    In

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