Das verborgene Feuer
Flugzeug gelandet, und sie betrachtete ihn.
»Ich hab dich noch nie schlummern sehen.«
Er runzelte die Stirn. »Das hat noch niemand, glaube ich … jedenfalls nicht seit der Zeit, als Caspar noch sehr jung war.« Er blinzelte sich den Schlaf aus den Augen. »Als Kind ist er immer auf mir herumgekrochen und wollte mich wecken, damit ich mit ihm spiele. Es ist schwer, mich zu wecken.«
»Du atmest überhaupt nicht.«
Er schüttelte fast unmerklich den Kopf. »Nur aus Gewohnheit und wenn ich wach bin … oder um zu wittern.«
Sie betrachtete ihn immer noch aufmerksam. Er blieb liegen und ließ sich von Kopf bis Fuß inspizieren. Noch immer trug er die schwarze Cargohose, die beim Angriff auf Lorenzos Festung angesengt worden war, hatte sein blutgetränktes Hemd aber gegen ein frisches schwarzes T-Shirt getauscht.
»Warum hast du dir die Haare geschnitten?«
»Ich habe sie mir in der Nacht deiner Entführung verbrannt.«
»Weil du so wütend warst?«
Er nickte, schwieg jedoch, als sie die Stirn runzelte.
»Aber du hast mich gegen deine Bücher eingetauscht.«
Er kauerte sich vor ihr nieder. Diesmal wich sie seinem Blick nicht aus.
»Glaubst du denn, er wäre ohne dich gegangen? Zwei seiner Männer waren im Haus, zwei weitere, die du nicht gesehen hast, auf dem Gelände. Denk nicht daran, was er gesagt hat – denk an das, was du inzwischen über ihn weißt. Wäre Lorenzo ohne dich gegangen?«
Sie hielt seinem fragenden Blick eine Weile stand und sah dann weg. Giovanni wartete auf eine Antwort, erhob sich nach einigen Minuten des Schweigens, nahm seine schwarze Reisetasche und stellte sich an den Ausgang der verriegelten Kabine, bis Beatrice zu ihm trat.
»Wohin reisen wir?«
Er bot ihr die Hand. »An einen sicheren Ort.«
»Für wie lange?«
Er zögerte kurz, beschloss dann aber, einen Versuch zu wagen. »Solange du willst.«
Sie sah auf seine Reisetasche und seine ausgestreckte Rechte. Schließlich ergriff sie seine Hand, und er half ihr aus dem Flugzeug.
Nordwestpatagonien
August 2004
In tiefer Nacht holperten sie durch das unwegsame Gelände der Seenregion dorthin, wo der Zugang zum Cochamó Tal begann. Die Straße durch den Wald war stockfinster, aber der Himmel war sternenklar, und Giovanni war froh, dass sie es auf dem Weg zu seiner südlichsten Behausung nicht mit Regen zu tun bekamen.
Beatrice war wieder eingeschlafen. Um es ihr auf der Rückbank des Landrovers möglichst bequem zu machen, hatte er ihr einen Arm umgelegt, und sie schlief mit dem Kopf an seiner Schulter. Dass sie sehr viel Schlaf brauchte, lag – wie er annahm – mehr am Stress als an körperlicher Erschöpfung.
Er versuchte, sich an die ersten Monate in der Haft dessen zu besinnen, der ihn dann in einen Vampir verwandelt hatte, aber die Erinnerungen an seine Zeit als Mensch waren so getrübt, dass er Mühe hatte, sich seine damaligen Gefühle zu vergegenwärtigen.
Je näher sie dem Ort kamen, an dem der Weg begann, desto stärker spürte er die Erregung, die ihn stets überkam, wenn er sich dem Gebäude näherte, das er stärker als jedes andere als sein Heim empfand.
Das von Gletschern geschaffene und von Granitgipfeln bekrönte Cochamó Tal schmiegte sich wie ein U in die Anden des südlichen Chile. Seine Abgelegenheit und die üppigen Wälder hatten eine von Carwyns abenteuerlustigeren Töchtern vor über zweihundert Jahren in Bann geschlagen. Inzwischen lebte Isabel dort mit ihrem Mann Gustavo, und ihr Vampirclan wachte unbemerkt über die wenigen Bewohner des Tals. Der Tourismus hatte sich als Herausforderung erwiesen, die sich aber gut bewältigen ließ, weil das Tal weiterhin nur zu Fuß, mit dem Schiff oder zu Pferd erreichbar war.
Als der Wagen an die Abzweigung zum Startpunkt ihrer Wanderung kam, bezahlte Giovanni den Fahrer, schüttelte ihm die Hand und sorgte so dafür, dass er sich nicht an die Reise erinnern würde.
Dann warf er sich die Reisetasche über die Schulter und hob die noch immer schlafende Beatrice aus dem Auto. Er bewegte sich mit menschlicher Geschwindigkeit, damit sie nicht hochschreckte. Als er die Brücke überquerte, begann sie sich zu rühren.
»Gio?«, murmelte sie. »Wo sind wir?«
»Auf dem letzten Stück der Reise,
tesoro
.«
»Warum sind wir aus dem Wagen ausgestiegen?«
»Weil es in dieses Tal keine Straße gibt. Ich vermute, du kannst nicht reiten?«
Sie war noch immer im Halbschlaf und rieb ihr Gesicht an seiner Brust, während sie antwortete.
»Als ich klein war, hab
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