Das verborgene Feuer
eine Bank stellte. Dann öffnete er die Tür, ließ sie ein und holte tief Luft, um den vertrauten Geruch seines Heims in sich aufzunehmen.
»Giovanni?«, rief Isabel aus der Küche und kam mit offenen Armen auf sie zu.
Er warf Beatrice einen Blick zu, denn er war gespannt, wie sie die freundliche Vampirin wahrnahm. Wie ihr Vater war Isabel eine der treusten und angenehmsten Unsterblichen, die ihm begegnet waren, und ihre Liebenswürdigkeit wurde schon bei der Begrüßung offenbar. Anders als Carwyn war sie Spanierin, schien Ende vierzig zu sein und war, was Vampirjahre anging, etwa so alt wie Giovanni.
Bei ihrer wortlosen Begrüßung küsste sie ihn auf beide Wangen.
»Beatrice.« Sie wandte sich an das Mädchen. »Wunderbar, dich kennenzulernen. Sicher bist du erschöpft von der Reise. Also kommen wir ein andermal zu Besuch. Im vorderen Schlafzimmer findest du Kleider, und auch im Bad ist alles Notwendige vorhanden. Strom haben wir nicht, aber fließendes Wasser, und überall im Haus gibt es Kerzen.«
Beatrice sagte nur leise »Danke«, als Isabel sie auf die Wangen küsste und ging. Giovanni führte sie den Gang hinunter und wies auf zwei Türen.
»Das ist dein Reich, solange du es bewohnen möchtest. Das Bad ist gegenüber. Mein Zimmer liegt auf der Rückseite des Hauses. Es ist teilweise in den Fels gebaut, aber du hast Fenster. Bei dir ist es tagsüber also nicht dunkel.«
»Prima«, murmelte sie.
Er stand reglos da. Mit ihr allein zu sein, machte ihn plötzlich nervös, und er wünschte, sie in der Sicherheit seines Zimmers zu wissen.
»Beatrice –«
»Ich denke, ich mache mich frisch und gehe in mein Zimmer. Gibt es hier Bücher, die ich mir leihen kann?«
»Es gibt hier sehr viele Bücher.« Er wies mit dem Kopf zum Wohnzimmer. »Bediene dich ruhig. Ich bewahre hier den Großteil meiner Privatsammlung auf.«
Sie lächelte kurz, doch dann verdüsterte sich ihr Blick. »Prima, damit beschäftige ich mich morgen.«
»Wolltest du, dass ich –«
»Gute Nacht«, sagte sie unvermittelt. »Bis morgen.«
Verwirrt über ihr plötzlich verändertes Auftreten, nickte er nur, prüfte Türen, Fenster und alle anderen Stellen, an denen sich eindringen ließ, sicherte sie und begab sich in sein rückwärtiges Zimmer. Trotz Isabels und Gustavos stets anwesenden Wächtern ließ er Beatrice ungern allein, doch er spürte, dass sie in Ruhe gelassen werden wollte.
Der aufziehende Tag zehrte schon an Giovanni, als er die ersten leisen Schluchzer aus ihrem Zimmer hörte, und im Traum verfolgten ihn ihre anklagenden Blicke.
Kaum war er bei Sonnenuntergang erwacht, schlüpfte er in eine Hose, begab sich zu Beatrice und merkte sofort, dass ihr Geruch den Flur erfüllte. Er blieb stehen und lauschte, konnte im Haus aber niemanden spüren. Auf dem Weg zur Küche gewahrte er Spuren von ihr im Wohnzimmer und sah ein Feuer im Kamin brennen. Kein Zettel gab Aufschluss, wo sie sich befand, und sofort packte ihn große Sorge. Barfuß trat er auf die Veranda und spähte über die Wiesen in den dichten Wald.
»Beruhige dich, Gio«, rief Isabel zwischen den Bäumen hervor. »Du schleichst ja herum wie ein gereizter Kater. Sie ist in unserem Haus; zwei von den Jungen haben ihr das Reiten beigebracht. Es geht ihr gut.«
Er blieb auf der Veranda und antwortete ihr erst, als sie auf die Wiese trat.
»Sie muss mir einen Zettel hinterlassen, wenn sie das Haus verlässt. Ich war drauf und dran –«
»Stimmt, fast hättest du vor Sorge deinen herrlichen Wald abgefackelt. Du führst dich auf wie ein besorgter Alter! Beruhige dich endlich.«
Mit finsterem Gesicht sank er in einen der großen Stühle auf der Veranda. »Ich bin nicht älter als du.«
»Du weißt, wie ich’s meine. Und zieh dir was an. Deine Muskeln beeindrucken mich nicht, und mir wird kalt, wenn ich dich nur anschaue.« Sie tat, als fröstelte sie, und als er etwas entgegnen wollte, hob sie die Hand. »Mir doch egal, ob du ein wandelnder Heizofen bist oder nicht. Zieh dich jetzt an.«
Mit düsterer Miene ging er in sein Zimmer, zog eine andere Hose und ein langärmliges Thermohemd an und kehrte zu Isabel zurück, die auf der Veranda saß und mit schwachem Lächeln zu den Sternen hochsah.
»Vater meinte, sie sei sehr gescheit, aber ich wollte ihm nicht recht glauben.« Sie zwinkerte Giovanni zu, der sich an einen dunklen Holzpfosten lehnte und in den Wald spähte. »Ein Mensch? Und wer sich mit dir einlässt, kann der überhaupt bei Verstand sein?«
»Sehr
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