Das verborgene Feuer
die Tür.
Am folgenden Abend versammelten sich Giovanni, Beatrice, Carwyn und Tenzin in der Bibliothek. Der Priester und die kleine Frau begrüßten Beatrice herzlich, doch diese ärgerte sich darüber, dass Tenzin nicht einmal so tat, als bedauerte sie es, Beatrice mit ihrem Amnis in Ohnmacht versetzt zu haben.
»Du musstest dich erholen. Jetzt geht es dir besser.«
»Und das wussten Sie? Waren Sie nicht bloß tyrannisch?«
Die kleine Frau zuckte die Achseln. »Ich wusste es und war tyrannisch. Ich bin weit älter als du. Und viel klüger.«
Beatrice bekam schmale Augen. »Sind Sie immer so arrogant?«
»Normalerweise ist sie noch viel schlimmer«, brummte Carwyn.
»Wenigstens bin ich nicht so überheblich anzunehmen, es gebe nur einen Gott, Priester.«
»Aber du besitzt die Arroganz zu glauben, das Schicksal diktiere –«
»Ruhe«, mischte Giovanni sich ein. »Ich glaube nicht, dass Beatrice sich eure alten Streitereien anhören mag.«
Er hatte in seinem Lehnstuhl gesessen, an einem Whisky genippt und gewartet, bis die drei um den großen Tisch mitten im Zimmer herumstanden.
Beatrice sah, wie enttäuscht Carwyn und Tenzin waren, die Debatte nicht fortführen zu können, bezwang ihr Lächeln, sprang auf den Tisch und ließ sich im Schneidersitz darauf nieder.
»Klär uns auf«, sagte Giovanni zu Tenzin. »Was haben wir verpasst?«
»Vom Ausverkauf bei Tommy Bahama abgesehen, brauchst du dir keine Sorgen zu machen, Gio. Ich habe mich an deinem Safe bedient, als mir das Geld ausging, aber die meisten großen Aufregungen sind Nachrichten von gestern.«
»Habt ihr Scalia gefunden?«, fragte Beatrice. Auf der Bootsfahrt zum griechischen Festland zurück hatte sie Carwyn über Scalias Rolle bei ihrer Entführung informiert, und er hatte versprochen, sich über das Vorleben des Professors kundig zu machen.
»Der liebe Doktor hat ein unglückliches Ende genommen.« Er hob die Hände. »Schaut mich nicht so an – er wurde am Tag nach deiner Entführung ermordet vor der Bibliothek gefunden. Ich konnte ihn nicht mehr befragen. Offenbar hatte Lorenzo keine Geduld mehr mit ihm, oder er war ihm bloß nicht mehr nützlich.«
»Er sagte, er habe meinen Vater gekannt«, warf Beatrice ein.
»Es stimmt«, sagte Tenzin. »Wir haben das recherchiert, als ihr in Südamerika wart. Robert Scalia ist mit deinem Vater zur Schule gegangen und muss ihn wiedergetroffen haben, als er in Ferrara arbeitete.«
»Soweit wir wissen, war Scalia an die Universität dort als Gastdozent gekommen und dann geblieben, aber niemand scheint sich zu erinnern, was er tat. Er hat in der Bibliothek recherchiert, aber das Gedächtnis aller, mit denen wir sprachen, scheint in diesem Punkt manipuliert.«
»Es konnte euch also niemand verwertbare Informationen geben?«, fragte Giovanni.
Carwyn zuckte die Achseln. »So würde ich es nicht sehen. Nach dem zu urteilen, was er B sagte, und nach allem, was wir uns zusammenreimen können, hat Lorenzo die Universität offenkundig genutzt, um deine Sammlung an einem Ort zu verstecken, wo sie für alle Benutzer sichtbar war. Inzwischen allerdings scheinen die Bücher verschwunden zu sein.«
»Kunststück«, brummte Giovanni. »Er hat sie bestimmt an einen anderen Ort geschafft.«
»Vielleicht auf die Insel?«, fragte Beatrice. »Dort gab es eine riesige Bibliothek.«
Tenzin schüttelte den Kopf. »Nachdem ihr die Insel verlassen hattet, bin ich noch einmal hingeflogen. Kein Buch dort war wirklich wertvoll. Alle Menschen waren verschwunden oder tot. Das Anwesen war zerstört. Dahin wird Lorenzo nicht zurückkehren.«
»Gut.« Sie fröstelte bei der Erinnerung an das Gelände, auf dem sie gefangen gehalten worden war, blickte kurz auf, merkte, dass Giovanni sie ansah, blickte zur Seite und betrachtete stattdessen Carwyn, der neugierig zwischen ihr und Giovanni hin- und hersah.
»Und was ist mit Lorenzo? Was sollen wir jetzt tun? Wir wissen, dass er noch lebt, oder? Sind meine Großmutter und ich trotzdem sicher?«
Alle redeten gleichzeitig los.
Carwyn schüttelte den Kopf. »Mir gefällt die Idee gar nicht, dass du nach Los Angeles ziehst, solange er sich noch herumtreibt. Wir wissen nicht –«
»Es wäre nicht weiter schwierig, alle seine Verbündeten systematisch umzubringen«, überlegte Tenzin. »Gio und ich könnten sie binnen weniger Jahre aus dem Weg räumen, und dann –«
»Ich habe kein Interesse, in weitere Rachefeldzüge hineingezogen zu werden, Tenzin – egal, wie leicht es wäre,
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