Das verborgene Feuer
gehabt.«
Sie nickte knapp. »Dann schmecke ich wohl ganz gut. Schön zu wissen.«
Hüstelnd ließ er den Blick über ihren Körper wandern, sah ihr aber nicht in die Augen.
»Du schmeckst … herrlich, offen gesagt.«
Sie biss sich auf die Lippe, um nicht zu lächeln. »Vielleicht sollte ich das in meinen Lebenslauf aufnehmen.«
Er schmunzelte erst, lachte dann los, sah ihr endlich in die Augen, ließ sich neben sie auf das Bett fallen und drückte sich ein Kissen vor das Gesicht.
»Genierst du dich?«, fragte sie ungläubig.
»Ja«, kam es gedämpft. »Ich habe mich verhalten wie eben erst in einen Vampir verwandelt: keine Selbstbeherrschung!«
»Ich habe mich nicht beschwert.« Sie errötete. »Und am Nachmittag habe ich vor dem Einschlafen mit dem Gedanken gespielt, mir einen Filzstift zu suchen und dir einen Schnurrbart ins Gesicht zu malen.«
Er hob das Kissen und blickte sie schräg von unten an, während sie sich von den getrockneten Aprikosen und Äpfeln nahm.
»Das würdest du nicht tun.«
»Hab ich auch nicht, aber ich habe darüber nachgedacht. Fühlst du dich nun etwas weniger unreif?«
»Durchaus.«
Beatrice setzte sich auf, und er sah zu, wie sie Obst aß und Wasser trank. »Wie warst du damals? Als ganz junger Vampir?«
Er rollte sich auf den Bauch und kreuzte die Arme unter seinem Kinn. »Willst du das wirklich wissen? Es ist nicht angenehm.«
»Hast du schon mal jemandem davon erzählt?«
Er schüttelte den Kopf und schaute ihr weiter beim Essen zu.
»Dann erzähl es mir. Auch das Hässliche.«
Er hielt kurz inne und fuhr in seiner Geschichte fort. »Mein Onkel wurde 1494 ermordet, doch das war mir da nicht klar. Andros hatte uns beobachtet und war zu dem Schluss gekommen, dass er seinen Zwecken nicht dienlich wäre, ich dagegen schon. Also hat er einen unserer Diener bewogen, ihm Arsen ins Essen zu tun, und mein Onkel begann dahinzusiechen.«
»Wie alt warst du damals?«
»Siebzehn.«
Sie überlegte, wie er mit siebzehn gewesen sein mochte, fuhr ihm über das kurz geschorene Haar und lächelte, als er sich in ihre Hand schmiegte. Er schloss die Augen, und ihr kam es vor, als schnurre er wie ein Kater.
»Nur Stunden nach dem Tod meines Onkels kam er zu uns und nahm mich mit. Ich war verwirrt, als ich aufwachte. Er hatte mich weit weg gebracht, und ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand.«
»Nämlich?«
»In einer alten griechischen Siedlung in Süditalien, in Crotone.« Er sprach diesen Namen mit Verachtung aus. »Dort hatte er eine Art Schule eingerichtet.«
»Er war Grieche?«
Giovanni nickte, und sie strich ihm weiter über das Haar. »Und er war ungefähr zweieinhalbtausend Jahre alt, als er mich in einen Vampir verwandelte. Ein Zeitgenosse Homers, wie er behauptete. Ich habe nie herausgefunden, ob das stimmte. Er war … verrückt. Besessen.«
»Wovon?«
»Von
arete
– oder von
virtus
, wie die Lateiner sagen.«
»Kannst du das auch verständlich ausdrücken?«
Er lachte leise, nahm ihre Hand und legte sie sich auf sein Herz. »Im Prinzip geht es um Vollkommenheit. Er wollte ein Kind, in dem das allergrößte menschliche Potenzial steckte.«
»Das war sicher sehr schmeichelhaft für dein Ego.«
Er schüttelte den Kopf, sah zur Decke hinauf und zeichnete geistesabwesend den Umriss ihrer Hand auf seiner Brust nach. »Ich war ganz und gar nicht vollkommen, sondern Rohmaterial.«
»Das heißt –«
»Dass er mich erst erschaffen musste, bevor er mich in einen Vampir verwandeln konnte.«
Sie runzelte die Stirn. »Das verstehe ich nicht.«
Er legte den Kopf in den Nacken und musterte sie mit traurigem Blick.
»Andros hielt mich zehn Jahre gefangen und formte mich zu einem Wesen, das er für den perfekten Menschen hielt. Er hat mich erzogen, trainiert und gedrillt, der vollkommenste Mensch zu sein, den er erschaffen konnte. Das war … nicht angenehm.«
Plötzlich richtete Giovanni den Oberkörper auf, kniete nieder, zog das Hemd aus und beobachtete wortlos, wie sie ihn anstarrte.
»Hältst du mich für schön, Beatrice?«
Sie errötete, sah ihm aber in die Augen. »Natürlich.«
»Bin ich stark?« Er kroch auf sie zu, bis er nur noch Zentimeter von ihrem Gesicht entfernt war. Sie holte tief Luft und atmete das schwache Raucharoma ein, das stets von ihm aufzusteigen schien.
»Ja.«
Er beugte sich vor, atmete tief ein und flüsterte ihr ins Ohr: »Du duftest wie Geißblatt – weißt du das?«
Ihr Herz pochte wie wild, und sie reagierte rein instinktiv.
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