Das verborgene Feuer
zurück.
Obwohl es seine Selbstbeherrschung immer wieder auf die Probe stellte, hatte Giovanni bis jetzt widerstanden, erneut von ihrem Blut zu trinken. In der Vorwoche dann hatte er das Tal bei Nacht verlassen und war in der nächsten Kleinstadt auf die Jagd gegangen. Beatrices Blut hatte ihm lange Kraft gespendet, doch er wollte nicht riskieren, wiederum die Kontrolle zu verlieren.
Zwar hätte Beatrice die körperliche Beziehung zu ihm gern vertieft, doch ihm war klar, dass sein Revierverhalten – würde er erst mit ihr schlafen – es ihm in Kombination mit seiner zunehmenden seelischen Bindung an sie praktisch unmöglich machen würde, sie gehen zu lassen.
»Ich fühle mich hier zwar nicht unwohl, aber –«
»Auf dich wartet in den Staaten ein ganzes Leben, Beatrice.«
Er spürte ihr Zögern, als sie schließlich antwortete.
»Was wirst du tun? Kehrst du nach Houston zurück?«
Er nickte. »Vorläufig.«
»Musst du auf Dauer also umziehen?«
»Das weiß ich nicht.«
Er ließ sein Pferd an der kleinen Bachbrücke bei seinem Haus haltmachen und wartete, bis sie zu ihm aufschloss.
»Weißt du –«
»Ich weiß nicht mehr als du. Carwyn und Tenzin sind in Houston und erwarten uns zurück. Ich muss mit ihnen reden, bevor ich irgendwelche Entscheidungen treffe.«
Sie blickten sich an, und Giovanni sah den Abschied ihre Augen füllen. Obwohl er sie liebte, hatte er es ihr nicht gesagt. Er bezweifelte noch immer, dass ihre Gefühle mehr waren als das Ergebnis jugendlicher Schwärmerei und der Belastungen ihrer stürmischen Zeit miteinander.
Er nahm ihr die Zügel ab, zog Beatrice auf seinen Schoß herüber, schlang die Arme um die Hüften, die seit der Ankunft im Cochamó-Tal wieder etwas runder geworden waren, stützte das Kinn auf ihre Schulter und atmete ihren Duft wie ein Ertrinkender ein.
Bei der Überquerung des Bachs führte er ihre Stute auf gleicher Höhe mit, und als ein leichter Sprühregen fiel, wärmte er Beatrice mit den Armen.
»Ich finde es herrlich hier«, flüsterte sie.
»Ich auch«, gab er zurück und dachte dabei mehr an das Mädchen vor ihm als an das Tal, durch das sie ritten.
Sie hatten ihre Abende friedlich miteinander verbracht, tagsüber meist Seite an Seite geschlafen und bei Nacht das Cochamó-Tal erkundet. Er hatte ihr seine liebsten Plätze gezeigt, und sie waren viele Stunden bei Gustavo und Isabel und ihrer großen Familie zu Gast gewesen, die Beatrice alle wie eine liebe Freundin willkommen geheißen hatten.
»Darf ich eines Tages wiederkommen?«
Er drückte ihr einen Kuss auf den Nacken. »Wann immer du willst.«
Den Rest des Rittes über schwiegen sie. Als sie zum Haus zurückkamen, hob er einen Zettel auf, der unter der Tür durchgeschoben worden war.
Vater hat im Landhaus angerufen.
Isabel
Er schloss die Augen und ergab sich dem Eindringen der Außenwelt.
Später dann lag sie friedlich an ihn geschmiegt neben ihm, während er bis zum Morgen ein Buch las. Seit der Nacht, da er sie geweckt und in sein Bett geholt hatte, waren die Albträume ausgeblieben, und sie hatte von da an jede Nacht bei ihm verbracht.
Er dachte an ein Aristoteles-Zitat, dem er erst in den letzten Monaten größere Aufmerksamkeit geschenkt hatte. »Liebe«, flüsterte er auf Italienisch, »ist eine Seele, die in zwei Körpern wohnt.«
Ob es tatsächlich so einfach war? Er beobachtete fasziniert, wie ihre Augen sich im Traum unter den Lidern bewegten und ein kleines Lächeln ihre Lippen umspielte.
Noch immer nannte sie oft den Namen ihres Vaters im Schlaf, und er wünschte, er könnte ihr helfen. So hartnäckig er sich auch bemühte, Erkundigungen über ihn einzuziehen: Stephen De Novo blieb weiterhin beeindruckend unsichtbar, und Giovanni kam nicht umhin, das Talent des Vampirs zu bewundern, sich so lange versteckt zu halten. Er hatte sich Lorenzos Nachstellungen jahrelang entzogen und blieb nun auch Giovanni gegenüber außer Reichweite. Diesem war jedoch klar, dass er weiter nach Stephen fahnden würde – und sei es nur, um ihm mitzuteilen, dass seine Tochter über ihn Bescheid wusste und ihn zu finden versuchte.
»Gio?«, murmelte sie und tastete im Schlaf nach ihm. Er legte sein Buch beiseite, nahm sie in die Arme und fragte sich wieder einmal, wie er sie je gehen lassen sollte.
Zwei Tage später saßen sie nebeneinander in einem Flugzeug, das Kurs auf den kleinen Privatflugplatz nahm, von dem aus Beatrice Houston Monate zuvor verlassen hatte.
»Und Großmutter und Caspar
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