Das verborgene Feuer
wollte ohnehin mit dir sprechen.«
Sie drückte den Fahrstuhlknopf und wartete darauf, dass er sich zu ihr gesellte.
»Möchten Sie mit mir zu Fuß gehen?« Er nickte Richtung Treppenhaus.
»Ich glaube nicht.«
Er zögerte. »Ich mag wirklich keine Aufzüge.«
»Und ich mag wirklich keine Freunde, die seltsame Gespräche mit mir führen und dann zwei Wochen verschwinden, ohne ein Wort zu sagen. Deshalb habe ich keine sonderliche Lust, vier Stockwerke mit Ihnen nach unten zu steigen. Wenn Sie mit mir reden wollen, können Sie den Aufzug nehmen wie ein normaler Mensch.«
Trotz großer Anspannung blieb er stehen, als die Aufzugglocke ging, die Türen sich öffneten und sich eine leere Kabine ihren Blicken bot. Beatrice trat ein, drehte sich um und sah ihn herausfordernd an. Schließlich steckte er die Hände in die Taschen, betrat den Lift, stellte sich in die Mitte und starrte auf die sich schließenden Türen.
Mit verdrehten Augen beugte sie sich aus ihrer Ecke vor und drückte den Knopf für das Erdgeschoss.
»Warum sind Sie sauer auf mich?«, fragte er ruhig.
»Sie sind es, der zwei Wochen verschwunden ist. Und ich bin nicht sauer auf Sie.«
Er lachte in sich hinein. »Da bin ich anderer Meinung.«
»Warum haben Sie sich nach meinem Vater erkundigt?«
»Ich war neugierig.«
»Da bin ich anderer Meinung.«
Er schwieg, indes der Aufzug abwärtsglitt. Plötzlich gab es einen Ruck. Er streckte den Arm aus, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren, und wollte nach dem hölzernen Handlauf in Hüfthöhe greifen, doch seine bleiche Hand streifte die Tafel mit den Knöpfen, und sie sah einen Lichtbogen von seinen Fingern auf die Metallplatte springen. Ein greller blauer Blitz war zu sehen, ein kleines Knacken zu hören, und Beatrice spürte einen elektrischen Stoß durch die Kabine gehen, während ihr die Haare zu Berge standen. Die Lichter erloschen, und der Fahrstuhl kam unvermittelt zum Stehen.
»Was ist passiert?«, fragte sie nervös. »Was war das, zum Teufel? Ist Ihre Hand in Ordnung? Warum halten wir?«
»Ich vermute, der Aufzug hat einen Kurzschluss.«
»Drücken Sie auf Alarm. Gibt es denn keinen Alarmknopf?« Sie tastete nach den Knöpfen, doch ihre Hände trafen nur den Arm, mit dem er sich angespannt gegen die Seitenwand des Lifts stützte.
»Beatrice –«
»Hier müsste doch irgendwo Licht sein.« Sie ärgerte sich, in einem dunklen Fahrstuhl mit ihm festzusitzen.
»Ich glaube nicht –«
»Mist! Wie lange kann es wohl dauern, bis wir hier rauskommen? Meine Großmutter wird sich schreckliche Sorgen machen. Sie mag es gar nicht, dass ich mittwochs spät nach Hause komme. Oh, warten Sie …« Sie tastete in ihrer Tasche nach dem Handy. Der Empfang in diesem Teil der Bibliothek war allenfalls dürftig, aber immerhin konnte sie das Gerät als Taschenlampe nutzen, um in der Kabine nicht gegen ihn zu stolpern.
»Ich fürchte, Ihr Handy wird nicht funktionieren.«
»Empfang werde ich keinen haben, aber –«
»Nein, ich glaube nicht, dass es nach einem solchen Spannungsstoß noch funktioniert. Haben Sie Ihren Laptop heute im Auto gelassen?«
Diese seltsame Frage ließ sie die Stirn runzeln. »Ja, aber –«
»Der immerhin bleibt Ihnen erhalten. Ich kaufe Ihnen ein neues Handy.«
»Ein neues Handy? Was zum –«
»Jetzt sollten wir uns überlegen, wie wir hier rauskommen –«
»Giovanni«, schrie sie nun. Sie glaubte, blind zu sein, und bekam langsam Panik. »Was geht hier vor, verdammt? Warum wird mein Handy nicht funktionieren? Und was war das für ein Blitz, der den Fahrstuhl angehalten hat?«
Sie stand im Stockdunkeln und wartete darauf, dass er antwortete oder etwas tat. Sie konnte ihn nicht einmal atmen hören. Er war so still, dass sie beinahe dachte, sie habe sich seine Gegenwart nur eingebildet. Beatrice glaubte schon fast, sie würde nur auf Luft treffen, wenn sie den Arm ausstreckte. Die geladene Atmosphäre im Fahrstuhl schien auf ihr zu lasten, und ihr Herz begann heftig zu schlagen.
Schließlich hörte sie ein Geräusch, als würde eine alte Lampe in eine Steckdose gestöpselt. Ein kleines blaues Licht leuchtete ihr gegenüber auf, und sofort blickte sie dorthin.
Es wuchs bis zur Höhe einer Feuerzeugflamme, wurde größer und runder und beschien seine Hand schwach grünblau. Sie konnte nicht wegschauen, während das Licht langsam zur Größe eines glühenden Baseballs anschwoll, der über Giovannis bleicher Hand schwebte.
Schließlich riss sie sich von dem blaugrünen
Weitere Kostenlose Bücher