Das verborgene Feuer
Ausruf ließ ihn ein wenig lächeln, was die langen Eckzähne noch deutlicher zum Vorschein brachte.
Sie beugte sich vor und stützte die Stirn auf die Hände. »Ich träume. Oder ich bin verrückt. Wahrscheinlich bin ich verrückt, stimmt’s?«
»Sie wissen, dass es nicht so ist.«
Sie blickte hoch und lachte kurz auf. »Sie haben wirklich keine Ahnung.« Sie musterte ihn, sah zu der blauen Kugel über ihnen auf und warf dann einen Blick auf die abgewetzte Umhängetasche, die er immer dabeihatte, und auf das dunkle Haar, das er sich wieder aus dem Gesicht strich, während er sie mit unergründlichen Augen ansah.
»Werden Sie mich umbringen?«
Seine Brauen rückten zusammen, und er wirkte beinahe beleidigt. »Natürlich nicht.«
»Natürlich nicht? Woher soll ich das wissen? Trinken Sie denn kein Menschenblut?«
»Nur wenn Sie es mir anbieten, aber ich bin wirklich nicht sonderlich hungrig. Und es würde Sie auch nicht töten, wenn ich es tränke. Ich bin nicht mehr jung und brauche nicht viel Blut.«
»Das ist ja beruhigend.« Sie sah ihn mit zur Seite geneigtem Kopf an.
»Das sollte es sein.«
Ihr Blick ruhte kurz auf seiner Brust und sprang dann zu dem Holzgeländer hoch, das in Hüfthöhe an den Kabinenwänden verlief. Sie hörte ihn leise lachen.
»Sollte es Ihnen tatsächlich gelingen, ein Stück Geländer herauszubrechen, daraus einen Pfahl zu machen und ihn mir durch die Brust zu treiben – und das ist schwerer, als es aussieht, glauben Sie mir –, hätte ich nur eine ziemlich hässliche Brustwunde, und eines meiner liebsten Hemden wäre ruiniert. Beruhigen Sie sich: Ich habe kein Interesse daran, Sie zu verletzen.«
Ihre Blicke trafen sich, und sie spürte sich erröten. Plötzlich war es ihr peinlich, dass sie erwogen hatte, ihn zu töten, da sie doch wochenlang in seiner Gesellschaft gewesen war und er nie auch nur ein unhöfliches Wort zu ihr gesagt hatte.
»Und wenn ich Ihnen nicht glaube? Sondern schreiend zum Wachmann renne, sobald wir hier rauskommen, und ihm sage, dass Sie ein Vampir sind?«
Er grinste, streckte die Beine aus und legte die Füße übereinander. »Nur zu. Aber wer würde so eine verrückte Geschichte glauben, Beatrice?«
Sie runzelte die Stirn. »Richtig. Niemand würde mir glauben, weil es keine Vampire gibt.«
Er lachte vergnügt vor sich hin. »Das wissen wirklich alle.«
Sie schluckte vernehmlich und nickte. »Natürlich.«
»Außerdem …« Die Sicht im Lift trübte sich, und Beatrice schnappte nach Luft, als er sich plötzlich direkt neben ihr materialisierte.
»Wie … wie haben Sie –«
»Schschsch.«
Beatrice empfand sein Flüstern als Streicheln, und ihr ganzer Körper reagierte auf ihn. Ihr Herz raste. Ihre Haut prickelte. Als sie durch die Zähne einatmete, merkte sie, dass sogar die Luft ringsum unter Spannung zu stehen schien. Er beugte sich vor zu ihr und strich ihr über die Wange. Als er sie mit den Fingerspitzen berührte, traf es sie wie elektrischer Strom, und sie erschauerte.
»Es ginge ganz schnell«, murmelte er, »und Sie würden sich überhaupt nicht an mich erinnern.«
Sie spürte ein Kribbeln im Nacken, das sich anfühlte, als vibriere etwas unter ihrer Haut. Sie schnappte erneut nach Luft, rückte etwas von ihm ab und schob seine Hand weg.
»Was war das?«
»
Amnis
«, sagte er mit starkem Akzent.
Sie runzelte die Stirn. »Ist das Latein? Es ist schon einige Zeit her. Ich erinnere mich nicht –«
»Es ist Latein und bedeutet Fluss oder Strom. So nenne ich es. Amnis. Einige Unsterbliche, die an Magie glauben, nennen es ›Zauber‹ oder ›Bann‹, doch es handelt sich nicht um Magie. Es ist einfach Energie, die durch den Strom verändert wird, der unter unserer Haut verläuft.«
Seine plausibel klingenden Worte spornten ihre Neugier an. »Wirklich? Das ist … seltsam und auch faszinierend. Und Sie können mich das alles vergessen lassen? Ich muss sagen: Das klingt recht unwahrscheinlich.«
Giovanni lächelte. »Das mag sein, aber ich kann Ihr Gehirn anzapfen und Ihre Erinnerungen verändern, Ihre Empfindungen, sogar die Worte, die Sie sprechen.«
Irgendwie erschreckte sie die Vorstellung, dass er in ihrem Gehirn herumbastelte, plötzlich weit mehr als die Vorstellung, er könnte hungrig werden.
»Haben Sie das schon einmal mit mir gemacht?«, flüsterte sie. »Haben Sie mich dazu gebracht, Ihnen zu trauen?« Ihr kam ein Gedanke, und Zorn stieg in ihr auf. »Haben Sie das bei meiner Großmutter getan?«
»Nein,
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