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Das verborgene Feuer

Das verborgene Feuer

Titel: Das verborgene Feuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Hunter
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Lieblingsbücher aus dem Regal und vertiefte sich in die mittelalterlichen Illustrationen eines deutschen Gebetbuchs. Einige Minuten später riss sie sich davon los, um Charlotte beim Einräumen von Büchern zu helfen, und nahm schließlich an der Aufsichtstheke Platz, um sich während der Abendstunden an ein Seminarreferat zu machen.
    Um halb sechs verabschiedete sich Charlotte winkend, und um sieben klangen die vertrauten Schritte von Dr. Giovanni Vecchio – dem rätselhaften Dr. phil. und Übersetzer tibetischer Texte, der überall für wilde Gerüchte sorgte – durch den Lesesaal.
    »Guten Abend, Miss De Novo. Wie geht es Ihnen?«
    Sie hörte den weichen Akzent, der sich ihr näherte, legte die Unterlagen, an denen sie arbeitete, beiseite und sah lächelnd auf. Diesmal trug er ein dunkles Brillengestell und ein graues Jackett. Sein Gesicht war kantig und auf eine Weise schön, die sie an ein Foto in ihrem Lehrbuch der Kunstgeschichte erinnerte. Seine sehr helle Haut, die bei jemandem mit einer Mittelmeerherkunft unangebracht wirkte, betonte seine dunklen Locken und die grünen Augen noch.
    Beatrice fand, niemand dürfe so gut aussehen – und obendrein noch klug sein! Dadurch wurden einfach alle anderen benachteiligt.
    »Gut, danke, mir geht es gut.« Sie seufzte beinahe unhörbar und strich sich beim Aufstehen den schwarzen Rock glatt. »Wieder das tibetische Manuskript?«
    Er nickte strahlend. »Ja, danke.«
    Beatrice ging ins Magazin, um zu holen, was sie »sein« Manuskript zu nennen begonnen hatte, und brachte es an Giovannis Tisch in einer hinteren Ecke des kleinen Saals. Beim Absetzen merkte sie, dass er bereits seine Stifte, Notizbücher und Zettel aus der Vorwoche ausgebreitet hatte. Er war wirklich bestens organisiert und vorbereitet.
    »Soll ich Ihnen die Benutzungsordnung herunterbeten?«, fragte sie und reichte ihm bei diesen Worten die Seidenhandschuhe.
    Er grinste. »Nur wenn Sie verpflichtet sind, das bei jedem meiner Besuche zu tun.«
    »Sie sind ja schon ein paar Wochen hier. Wenn Sie es niemandem verraten, erspare ich Ihnen die Litanei.«
    »Ihr skandalöser Verstoß gegen die Verfahrensregeln wird unser Geheimnis bleiben, Beatrice«, sagte er mit einem Zwinkern, das ihr Herz rasen ließ. Sosehr sie ihren Namen verabscheute: Wenn er ihn mit seinem sexy Akzent von der Zunge rollen ließ, mochte sie ihn fast ein wenig.
    Sie lächelte bloß und versuchte, normal zu atmen. »Falls Sie etwas benötigen – ich bin an der Aufsichtstheke.«
    »Danke.« Er nickte und schlüpfte in die Handschuhe. Wie immer fielen ihr seine körperlichen Widersprüche auf, die das Geheimnis, das er bedeutete, nur noch verstärkten.
    Seine Finger waren lang und anmutig und ließen eher an einen Künstler denken als an einen Gelehrten, doch der Körper unter seiner lässigen Kleidung schien der eines durchtrainierten Sportlers zu sein. Er wirkte anspruchsvoll in seiner Erscheinung, doch sein Haar schien stets ein wenig zu lang zu sein. Egal, wie er gekleidet war – sie lächelte stets, wenn sie seine Miene sah: Seine vor Konzentration gerunzelte Stirn und der gedankenverlorene Blick waren hundert Prozent Akademiker.
    Sie unterdrückte ein Kichern und machte sich wieder an ihr Referat.
    Beide arbeiteten eine Stunde lang wortlos vor sich hin. Als Beatrice fertig war, stellte sie fest, dass sie das Taschenbuch vergessen hatte mitzubringen, in dem sie gerade las.
    »Verdammt«, flüsterte sie.
    Er schaute von seiner Arbeit auf. »Was ist?«
    Sie legte die Stirn in Falten, sah hoch und wunderte sich, dass er ihren leisen Fluch gehört hatte. »Oh, Verzeihung. Nichts Besonderes – ich habe bloß mein Buch zu Hause vergessen.«
    Sie glaubte, ihn leise schnauben zu hören.
    »Was denn?«
    Er konnte sich ein leises Lachen nicht verkneifen. »Sie sind in einer Bibliothek.«
    »Was?« Sie musste lächeln. »Ich weiß, aber ich bin gerade mittendrin. Außerdem kann ich jetzt schlecht rüber in die Belletristik gehen und mir ein neues Buch aussuchen. Ich arbeite.«
    »Stimmt.«
    »Es sei denn, Sie wollen früher Schluss machen – dann könnte ich hier weg.«
    Stirnrunzelnd sah er auf die Wanduhr. »Muss das sein?«
    Beatrice lachte auf. »Natürlich nicht – war nur ein Scherz. Ich erwarte nicht, dass Sie Ihre Forschungszeit meinetwegen beschneiden.« Sie lächelte und machte sich daran, Mails zu checken und Börsennotierungen anzusehen. Von dem Vermögen ihres Vaters waren noch ein paar Aktienpakete übrig, deren Wert sie

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