Das verborgene Kind
eine Küche mit Essplatz darstellten, dazwischen die Diele, durch die man auf die Veranda gelangte, und – ein späterer Ausbau – der erste Stock mit zwei geräumigen Zimmern, einem kleineren, das perfekt für Rosie wäre, und einem Bad.
Voller Vorfreude fuhr sie nach Porlock hinein, winkte Richard – dem Besitzer der Tierhandlung – zu und hielt neben ihm am Straßenrand, auf der gelben Doppellinie.
»Wir nehmen einen Welpen«, rief sie ihm zu. »Holen ihn in ein paar Wochen ab. Ich komme noch vorbei, um ein paar Sachen für ihn zu kaufen.« Sie warf einen Blick in den Spiegel, als ein Wagen hinter ihr anhielt, der sie nicht überholen konnte. »Ach, du meine Güte! Besser, ich sause weiter ...«
Immer noch kribblig vor Jubel, redete sie auf Rosie ein und fuhr über die Mautstraße, die zum Cottage führte, zurück. Ray kam aus der Mautstation, erkannte den Wagen und winkte sie durch. Sie lächelte ihn an und hätte am liebsten angehalten, um ihm die Neuigkeiten zu erzählen. Aber sie widerstand der Versuchung, denn sie wusste, dass Jules als Erster davon erfahren musste. Sie überlegte, wie sie es ihm sagen sollte:
»Du wirst nie erraten, was passiert ist!«– »Ich habe ganz tolle Neuigkeiten.« – »Milo will uns das Sommerhaus verkaufen.«
Sie bog in die Einfahrt und warf einen Blick auf die Uhr: fast halb vier. Rosie war in ihrem Sitz eingeschlafen. Imogen beschloss, sie noch zehn Minuten dort schlafen zu lassen. Sie stieg aus, zog leise die Wagentür zu, stand einen Moment lang da und atmete die kalte, frische Luft ein. Heute war die Küste von Wales klar und deutlich zu erkennen. Sie schien zum Greifen nahe jenseits des schmalen, schimmernden Streifens blauen Wassers zu liegen, über das ein winziges Motorboot wie ein leuchtender Pfeil nordwärts schoss. Sein Bug, der das Wasser aufwühlte, glitzerte im Sonnenschein des Spätnachmittags. Darüber zog eine einsame Möwe ihre Kreise.
Imogen seufzte vor Vergnügen. Sie schloss das Cottage auf, überlegte, was sie zum Abendessen kochen sollte – im Kühlschrank lagen noch Lammkoteletts –, und vergewisserte sich, dass sie noch eine Flasche Wein hatten, um auf die gute Nachricht anzustoßen. Sie beschloss zu warten, bis Rosie im Bett war – beim abendlichen Bad gab es immer solch ein Chaos, und sie wollte ohne Ablenkung mit Jules reden können –, bevor sie ihm einen Drink einschenken und es ihm erzählen würde. Mit etwas Glück war dies einer der Tage, an denen er spät nach Hause kam, aber gerade noch rechtzeitig, um Rosie eine Geschichte vorzulesen und ihr einen Gutenachtkuss zu geben. Da wäre die Versuchung geringer, alles in dem Moment herauszusprudeln, in dem er durch die Tür trat. Vor lauter Vorfreude schrie sie leise auf, als ihr Handy piepte: eine SMS.
Sie griff nach dem Telefon und drückte auf die Tasten: Sie war von Nick.
»Bin zu Hause. Bei dir alles okay? Hat Dad es dir schon erzählt? Kuss.«
Rasch antwortete sie ihm: »Lottie hat es mir erzählt. Kann kaum erwarten, es Jules zu sagen.« Sie zögerte und fragte sich, ob sie irgendeine Zuneigungsbekundung hinzufügen sollte. »Kuss zurück«, schrieb sie dann und drückte auf »senden«.
Fast sofort erhielt sie eine SMS zur Antwort.
»Lasse von mir hören. Hab dich lieb. Kuss.«
Im starrte auf die Nachricht und versuchte ihr Unbehagen abzuschütteln. Schließlich schickte Nick immer solch liebevollen Nachrichten, daran war nichts Schlimmes. Merkwürdig, dass sie seit ein, zwei Tagen hyperempfindlich auf ihn reagierte. Sie war einfach töricht. Schnell, ohne sich Zeit zum Überlegen zu lassen, schrieb sie zurück. »Schreibe später noch mal. Hab dich auch lieb.«
Sie sah auf die Uhr: Zeit, Rosie zu wecken, sonst würde sie heute Abend nicht einschlafen können. Imogen ging nach draußen, um sie zu holen. Die Kleine schlief fest und ließ sich nicht gern wecken: Sie meckerte, zappelte, griff nach dem Stoffhasen und heulte, als sie nicht herankam.
»Hör mit dem Theater auf!« Imogen setzte sich ihre Tochter auf die Hüfte. »Da ist dein Hase. Komm, wir trinken Tee.«
Sie nahm die große Wickeltasche mit dem Rosenmuster vom Rücksitz, schloss den Wagen ab und trug Rosie ins Haus.
»Ich will das Sommerhaus aber nicht kaufen«, erklärte Jules. Einen Ellbogen auf die breite Theke aus Kiefernholz gestützt, lehnte er sich an den Barhocker, drehte sich um und sah sie an. »Ich will nicht nach Bossington ziehen.«
Imogen blieb ganz still. Sie kniete auf dem Boden und war
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