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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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erstarrt. Sie hielt noch ein paar Spielzeuge von Rosie in der Hand, die sie in den Laufstall hatte werfen wollen. Jetzt sah sie zu ihm auf. Sie war so schockiert, dass es ihr die Sprache verschlagen hatte. Ihr Gesichtsausdruck und dass sie wie eine Bittstellerin vor ihm kniete, irritierten Jules. Sie flößten ihm Schuldgefühle ein, als hätte er ihr etwas Unfaires getan.
    »Komm schon, Im, wir haben doch hundert Mal darüber geredet! Wir wollen in die Nähe von Simonsbath. Du hast immer gesagt, du wolltest das ebenfalls. Das ging nicht nur von mir aus.«
    »Ich weiß !«, rief sie gequält. Sie wollte unbedingt, dass er verstand, wie wichtig das für sie war. »Aber das war vorher. Ich hätte ja nie auch nur einen Augenblick lang geglaubt, dass wir je eine Chance hätten, das Sommerhaus zu kaufen. Und noch dazu zu einem Preis, den wir uns leisten können. Es ist doppelt so viel wert, Jules. Abgesehen von allem anderen, siehst du denn nicht, was das für ein Schnäppchen ist?«
    »Ein Schnäppchen kann nur etwas sein, was man haben will. Aber ich möchte das Sommerhaus nicht.«
    Sie schleuderte das letzte Stück Spielzeug in das Laufgitter und stand auf. Unbewusst wappnete Jules sich. Ihre Wangen waren leuchtend rot angelaufen, wodurch ihre Augen noch blauer als sonst wirkten, und in ihren Jeans und dem ausgeleierten Pullover schaute sie sehr jung und sehr hübsch aus. Am liebsten hätte er ihr die Arme entgegengestreckt, doch ihre Miene ermunterte ihn nicht gerade dazu.
    »Und was ist mit mir?«, wollte sie wissen.
    Er erwiderte ihren durchdringenden Blick. Auf einmal hatte er keine Lust mehr, die Arme um sie zu legen, sondern fühlte Groll in sich aufsteigen.
    »Ich denke dabei nicht an dich«, erklärte er ihr unumwunden, »oder jedenfalls nur indirekt.«
    Sie marschierte um die Ecke der Theke herum und in die Küche, und er drehte sich so, dass er sie ansehen konnte. »Wir haben darüber gesprochen, wie weit wir hier von der Praxis entfernt wohnen, und immer wieder gesagt, dass die Fahrt die Hölle ist, wenn ich nachts gerufen werde. Wir hassen das beide, nicht nur ich. Okay, von hier aus kann ich schnell auf der A39 sein, aber selbst dann habe ich noch meilenweit kurvige, schmale Straßen vor mir. Du weißt ganz genau, dass wir Farmen und Ställe bis nach Twitchen und Molland abdecken, und du bist diejenige, die immer einen Aufstand veranstaltet, wenn ich bei Nebel oder Schnee oder um zwei Uhr morgens losmuss. Und du hasst es, wenn ich die Nacht in der Praxis verbringe. Die Praxis ist klein, Im; wir sind nur zu zweit, und ich bin der Assistent, der vier Nächte pro Woche Bereitschaftsdienst hat, und ich kann mir keine Fehler erlauben.«
    »Aber das wird sich doch ändern«, wandte sie ein, »wenn die Praxis größer wird.« Sie biss sich auf die Lippen und versuchte, ihre bittere Enttäuschung zu zügeln. Er gab ihr das Gefühl, egoistisch zu sein, aber ihre Sehnsucht nach dem Sommerhaus war so groß, dass sie nicht vernünftig denken konnte.
    Jules beobachtete sie. Ihre Antwort hatte ihn zutiefst verletzt. »Du meinst, dass das Sommerhaus wichtiger ist als meine Sicherheit. Darüber reden wir nämlich, Im. An einem schönen Tag, wenn man nicht unter Druck steht, ist es herrlich, im Exmoor herumzukutschieren; aber versuch das mal in einer nebligen Nacht, wenn am Ende der Fahrt ein krankes Tier auf dich wartet. Und dann kommst du erschöpft nach Hause und hast einen neuen Arbeitstag vor dir. Wenn wir nach Bossington ziehen, ist mein Weg drei Meilen weiter, und wir reden hier nicht von schönen geraden Straßen.«
    Die Arme vor der Brust verschränkt, lehnte sie sich an die Spüle. Sie fühlte sich trotzig und in die Defensive gedrängt. Obwohl sie wusste, dass Jules’ Argumente vollkommen vernünftig waren, konnte sie kaum glauben, dass er keinen einzigen Moment daran dachte, was diese Gelegenheit vielleicht für sie bedeuten könnte: Sie würden ein bezauberndes kleines Sommerhaus besitzen und in der Nähe von Milo und Lottie leben. Matt und Nick würden hereinschauen, und Rosie würde im Umfeld einer richtigen Familie aufwachsen. Außerdem – an dieser Stelle hüpfte ihr Herz nervös –, könnte Milo Nick noch helfen, wenn sie es nicht kauften? Milo wusste, dass Jules und sie das Geld für die Anzahlung auf der Bank liegen und eine Hypothek beantragt hatten, sodass sie gleich zur Tat schreiten konnten. Wenn sie das Sommerhaus nicht nahmen, würde er es vielleicht eine Ewigkeit lang nicht loswerden. Woher

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