Das verborgene Kind
Imogen aus, die immer noch den Kopf in die Tasche steckte. »Ach, der arme Milo!« Sie konnte Lottie einfach nicht ansehen und verfluchte Nick, weil er sie in diese Lage gebracht hatte. »Das tut mir so leid.«
»Nun ja, ihm nicht.« Lottie klang beinahe amüsiert. »Er hat versucht, eine Möglichkeit zu finden, wie er dir und Jules das Sommerhaus zu einem vernünftigen Preis anbieten kann, der Nick gegenüber fair ist und bei dem Sara nicht auf die Palme geht; und jetzt hat Nick ihm die ideale Lösung geboten.«
Imogen hob mit hochrot angelaufenen Wangen den Kopf und starrte Lottie an. Die Ältere begann zu lachen.
»Arme Im«, meinte sie. »Du hast dich noch nie gut verstellen können, oder? Sogar als kleines Mädchen hast du alles herausgesprudelt, obwohl Matt gedroht hat, dich zu ermorden. Nick hat dir also schon alles erzählt, und das ist in Ordnung. Vielleicht hätte er seinem Vater die Gelegenheit geben sollen, es dir selbst zu sagen, aber da Milo mich gebeten hat, mit dir darüber zu sprechen, ist es ohnehin ...«
»Nick wollte mir nur sagen, wie sehr er sich freut.« Endlich hatte Im ihre Stimme wiedergefunden. »Du weißt schon. Er meinte, Sara würde wahrscheinlich ausrasten, aber er sei absolut begeistert. Er wollte nur, dass ich es weiß, und sich verabschieden ... Woher hast du das gewusst?«
»Ach, Liebling. Dein Gesicht. Du hast so schuldbewusst und unglücklich ausgesehen, dass ich es sofort erraten habe. Arme Im! Und du hast ihm natürlich Verschwiegenheit geloben müssen.«
»Also, ja. Was er getan hat und Milos Großzügigkeit sind ihm so peinlich, verstehst du, aber er fand, ich solle überrascht tun, wenn Milo es mir erzählt. Ehrlich, Lottie, ich begreife es immer noch nicht. Ich kann nicht glauben, dass Milo so freundlich ist. Aus welchem Grund tut er so etwas?«
»Weil er dich liebt. Ihr liegt ihm sehr am Herzen, Matt und du. Nick hat schon jede Menge Unterstützung bekommen und wird all das hier erben; und Matt ist nach seinem großartigen Erfolg finanziell abgesichert. Milo hat nach einer Möglichkeit gesucht, dir und Jules zu helfen, das ist alles. Er weiß, wie sehr du das Sommerhaus liebst und dass ihr eine Unterkunft braucht. Ihr werdet trotzdem eine Hypothek aufnehmen müssen, verstehst du. Er schenkt es euch nicht.«
»Natürlich nicht«, rief Imogen aus. »Das würden wir auch gar nicht wollen. Es ist nur so ... wunderbar. Nicht wahr, Rosie?« Sie bückte sich, hob Rosie aus dem Laufstall und schwang sie hoch in die Luft. »Herrje, dieses Kind riecht abscheulich. Ich gehe mit ihr nach oben und wechsle ihr die Windel.« Sie zögerte und drückte die Kleine so fest an sich, dass ihre Gesichter einander beinahe berührten. »Und danke, Lottie. Ich hätte mir ja denken können, dass du mich gleich durchschaust.«
»Du hast Nick immer gern gemocht«, gab diese schlicht zurück. »Er hat großes Glück. Wir alle brauchen einen Menschen, der bedingungslos auf unserer Seite steht. Und du hast immer zu Nick gehalten.«
Imogen wirkte verwirrt und verlegen. Sie öffnete den Mund zu dem Versuch einer Erklärung, aber Rosie begann zu zappeln und zu schreien. So lächelte Im der Älteren dankbar zu, nahm die große Tasche und eilte die Treppe hinauf.
12. Kapitel
A uf dem Rückweg zum Cottage überlegte Imogen, wie sie Jules die aufregende Neuigkeit überbringen solle.
»Natürlich kennt Jules das Sommerhaus nicht wirklich«, hatte sie zu Lottie gemeint. »Er hat es nur ein paarmal durch die Bäume gesehen. Glaubst du, die Mortons würden erlauben, dass wir uns dort umschauen? Wenn sie sowieso wegziehen, können sie doch eigentlich nichts dagegen haben, oder?«
Am Fuß der Auffahrt, dort, wo eine Abzweigung zum Sommerhaus führte, fuhr sie langsamer und reckte den Hals, um einen Blick auf das weiß getünchte Cottage mit den roten Dachziegeln und der hübschen Veranda zu werfen. Sie wusste, dass es auf eine Laune von Milos Ururgroßmutter hin errichtet worden war, die sich ein Atelier gewünscht hatte, wo sie in Frieden ihre bezaubernden Aquarelle malen konnte. Die nächste Generation hatte es als Sommerquartier für besondere Gelegenheiten genutzt, wo die Kinder Picknicks veranstalten und Partys feiern durften. Kurz nach dem Krieg hatte Milos Vater es von einem nur im Sommer genutzten Atelier zu einem wunderhübschen Cottage für das Ehepaar, das für ihn arbeitete, ausbauen lassen. Imogen erinnerte sich an das Innere: zwei große Räume im Erdgeschoss, die heute ein Wohnzimmer und
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