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Das verborgene Kind

Das verborgene Kind

Titel: Das verborgene Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Willett
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sollte Milo dann das Geld nehmen? Doch all das konnte sie Jules nicht sagen; es würde vielleicht ein wenig komisch aussehen, wenn sie sich in diesem Maß um Nick sorgte. Vorhin hatte es schon eine peinliche Situation mit dem Hasen gegeben. Rosie hatte sich geweigert, ohne das Stofftier schlafen zu gehen. »Ist der neu?«, hatte Jules gefragt. »Ja, wir haben ihn heute Morgen aus Dunster mitgebracht«, hatte Im eilig geantwortet, was keine echte Lüge, aber auch nicht die ganze Wahrheit war. Sie hatte einfach nichts von ihrem Treffen mit Nick erzählen wollen, und jetzt befand sie sich in einem Gefühlschaos aus Enttäuschung, Schock und Zorn.
    »Sieh es dir doch auf der Karte an«, sagte Jules gerade. Er war vom Hocker aufgestanden und hatte den Autoatlas aus dem Bücherregal genommen. »Schau mal!« Mit einem Zeigefinger wies er auf die verschnörkelten Linien, die Straßen darstellten. Er beugte den Kopf darüber, sodass sie die Stelle sehen konnte, an der er fast kahl war. Noch nie hatte sie ihn weniger leiden können als in diesem Moment. »Schau dir an, wie es von hier bis Simonsbath durch die Heide geht. Von hier aus brauche ich fast eine halbe Stunde. Und dann bin ich erst in der Praxis. Was ist, wenn ich zu den Stallungen in Molland oder bis nach Twitchen weiterfahren muss?«
    Er schaute zu ihr auf, und sie starrte die Karte an und wich seinem Blick aus. Mit einem Knall schloss er den Atlas und stellte ihn wieder ins Regal. »Dir ist das wirklich vollkommen egal, oder?«
    »Ich will nur vernünftig darüber diskutieren, nichts weiter«, versetzte sie wütend.
    Die beiden starrten einander an; keiner war zum Einlenken bereit. Der Abend war ruiniert. Jules stand auf und ging in die Diele, während Imogen regungslos dastand und aufmerksam lauschte. Er würde doch wohl nicht einfach hinausgehen. Wohin sollte er auch? Als er wieder hereinkam, trug er seine Wetterjacke, und seine Miene war verschlossen.
    »Ich habe heute Nacht Bereitschaftsdienst«, erklärte er, »und es ist abzusehen, dass ich irgendwann nach Molland fahren muss. Ich werde in der Wohnung in der Praxis übernachten und im Pub was essen.« Er hielt inne und wartete darauf, dass sie protestierte oder sonst wie einlenkte. »Gute Nacht!«, sagte er schließlich achselzuckend und ging hinaus.
    Imogen konnte kaum glauben, dass er fort war; sie war sich sicher gewesen, dass er bluffte und zurückkommen würde. Dann hörte sie, wie der Motor des Geländewagens gestartet wurde. Groll und Enttäuschung verhinderten jeglichen Anflug von Reue, obwohl sie tief im Inneren wusste, dass Jules jedes Recht hatte, seine Argumente vorzubringen.
    Aber trotzdem ... Imogen wusste kaum, was sie mit sich anstellen sollte, denn sie hatte so hohe Erwartungen gehegt und war so glücklich gewesen. Und sie konnte mit niemandem darüber reden, jedenfalls noch nicht. Ihre besten Freundinnen würden sie natürlich verstehen, aber es würde nicht so einfach sein, ihnen Jules’ Standpunkt darzustellen, ohne selbst ein wenig egoistisch rüberzukommen. Auf der anderen Seite würden sie ihre Gefühle bezüglich des Sommerhauses vollkommen verstehen. Allein bei dem Gedanken wäre sie am liebsten in Tränen ausgebrochen. Imogen goss Wein in ein Glas und räumte die Lebensmittel weg, die sie für das Essen zur Feier des Tages herausgestellt hatte; sie hatte einfach keinen Hunger mehr. In der Diele blieb sie stehen, um auf Geräusche von oben zu lauschen, bevor sie ins Wohnzimmer ging. Sie zündete das Feuer an, schaltete den Fernseher ein und setzte sich. Sie wagte nicht einmal, Nick anzurufen. Nachdem sie ein paar Minuten überlegt hatte, kam sie auf den Grund: Sie würde es nicht ertragen, wenn er sich mehr Gedanken über das Geld als über ihre Enttäuschung machen sollte.
    Sie nippte ein paarmal von ihrem Wein, griff spontan zu ihrem Handy, das auf der Sessellehne lag, und scrollte bis zu Matts Nummer herunter. Nachdem es mehrfach geklingelt hatte, meldete er sich.
    »Hi, Im.« Wie üblich klang er eher distanziert, aber tröstlich vertraut. »Wie läuft es?«
    »Ach, Matt!«, stieß sie erstickt hervor. »Es ist alles ganz schrecklich. Du kannst es dir nicht vorstellen.«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.« Er klang jetzt aufmerksamer, besorgt. »Was ist los?«
    »Hast du einen Moment Zeit, oder bist du auf dem Sprung?«
    »Nein. Du hast meine ungeteilte Aufmerksamkeit.«
    »Also ...« Erleichtert schmiegte sich Imogen in die Sofaecke und begann zu erzählen.

13. Kapitel
    M att

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