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Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
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Erdbeermarmelade machte. Als sie die Küche betrat, blickte sie sich suchend um, weil der Wagen vor dem Haus stand, und Delphine bemerkte es und warf ihr einen leicht vorwurfsvollen Blick zu.
    »Daddy ist nicht da. Solltest du ihm heute Modell stehen?«, fragte sie vorsichtig.
    »O nein«, antwortete Dimity hastig. »Ich hatte nur ge hofft … Meine Mutter fragt mich immer, verstehst du. Nach dem Geld dafür.« Sie erzählte diese Lüge mit gesenkter Stimme und schämte sich, als die tadelnde Miene ihrer Freundin dem Mitgefühl wich.
    »Ja, natürlich. Wie dumm von mir«, murmelte Delphine. »Vielleicht könntest du ja ein, zwei Gläser Marmelade mitnehmen, wenn wir fertig sind. Würde dir das helfen?«
    »Ja, danke.« Sie lächelten sich an und begannen, die leuchtend roten Früchte zu entstielen. Delphine erkundigte sich nach Wilf, und Dimity erzählte absichtlich lange und spannend von ihm, obwohl sie in Wahrheit kaum an ihn gedacht, geschweige denn ihn getroffen hatte, seit die Aubreys wieder da waren. Schon bald duftete die Küche köstlich nach Erdbeeren, und als Celeste die Treppe herunterkam, sog sie tief die Luft ein und lächelte. Sie sah müde aus und hatte strenge Falten um die Mundwinkel, die Dimity noch nie bei ihr gesehen hatte.
    »Welch himmlisches Parfüm, Mädchen!«, bemerkte sie. »Eine Erinnerung daran, dass wir Sommer haben, trotz des finsteren Himmels.« Der Sommer war bisher tatsächlich recht trübe gewesen, doch Dimity hatte es kaum wahrgenommen. »Nun denn, ob die Sonne scheint oder nicht – ich brauche ein wenig frische Luft. Ich bin im Garten, falls ihr mich braucht.«
    Zwei Stunden später, als die Marmelade in Gläser gefüllt war und Élodie bis zu den Ellbogen in schäumender Wasch lauge steckte und die Töpfe schrubbte, ging Dimity mit einer großen Tasse Tee für Celeste vorsichtig zur Hintertür. Durch den Spalt am Türrahmen sah sie etwas Blaues blitzen und hielt inne, denn sie erkannte Charles’ besonderen Leinenkittel, der mit Farbklecksen und bunten Fingerabdrücken übersät war. Seine Stimme war sanft und bedächtig, als könnte er Celeste schaden, sie verletzen, wenn er zu laut sprach.
    »Aber das ist im Augenblick unmöglich, Celeste, das weißt du doch. Ich habe gerade ein neues Gemälde angefangen. Ich brauche Mitzy als Modell dafür, und wir brauchen das Geld …«
    »Du kannst dort genauso gut arbeiten, das weiß ich. Denk nur daran, wie viel du damals geschaffen hast, als du zum ersten Mal da warst!«
    »Tja, da hatte ich ja auch dich als Inspiration«, sagte Charles. Durch den schmalen Spalt sah Dimity sein weiß schimmerndes Lächeln.
    »Und hast du mich nicht auch jetzt?«
    »Das habe ich damit nicht gemeint.«
    »Wir könnten die Kinder bei deinen Eltern lassen. Sie würden sich bestimmt um sie kümmern, wenn du ihnen erklären würdest, warum …«
    »Nein, das würden sie nicht tun. Du weißt doch, wie meine Mutter über unsere Situation denkt.«
    »Aber wenn du es ihr so sagst … Wenn du ihr erklärst, dass wir verreisen müssen. Dass ich von hier fortkommen muss. Und wir müssen zusammen sein, Charles. Mon cher. Zusammen wie Mann und Frau, so wie am Anfang. Wir müssen uns wieder an das Licht und die Liebe und das Leben zwischen uns erinnern, denn jetzt ist alles so düster geworden …«
    »Delphine und Élodie sind der wunderbarste Ausdruck dieser Liebe, Celeste. Warum sie also zurücklassen? Sie finden es herrlich dort, das weißt du doch …«
    »Wir könnten sie auch bei Mitzy lassen! Sie ist ein ver nünftiges Mädchen. Wie alt ist sie jetzt, sechzehn? Sie könnte sich um sie kümmern, da bin ich sicher. Sie kann doch hier im Haus wohnen …« Hoffnung flammte in Celestes Stimme auf.
    »Kommt nicht infrage.« Das klang sehr bestimmt und unnachgiebig. »Ihre Mutter würde sich zweifellos irgendwie einmischen, und im Grunde ist Dimity doch selbst noch ein Kind.« Nein, dachte Dimity, die mit angehaltenem Atem auf den Zehenspitzen dastand. Ich bin ein Schwan. Er wollte nicht mit Celeste fortgehen. Er wollte in Blacknowle bleiben, bei ihr. Freude loderte in ihr auf wie Feuer.
    »Bitte, Charles. Ich habe das Gefühl, dass etwas in mir stirbt. Ich kann hier nicht mehr bleiben. Und zwischen uns stirbt auch etwas … Diese Distanz wächst, immerzu. Ich muss nach Hause . Ich muss dorthin, wo ich hingehöre. Und ich muss mit dir zusammen sein wie damals in unseren Flitterwochen, als wir uns gerade kennengelernt hatten und der Mittelpunkt des Universums waren.

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