Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Das verborgene Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das verborgene Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katherine Webb
Vom Netzwerk:
in der Taille zugebunden wie eine riesige Schürze, und der raue Stoff juckte an ihren Knien. Schon nach wenigen Hundert Metern schmerzte der Druck des Sattels, und ihr Gesäß wurde taub, doch ihr Maultier folgte Charles’ in stillem Gehorsam, und genau das würde sie auch tun.
    Sie ritten eine gute Stunde lang in der starken Nachmittagshitze einen felsigen Hügel nördlich der Stadt empor. Vor ihnen konnte Dimity die quaderförmigen, mit Zinnen versehenen Überreste von Gebäuden ausmachen, die vermutlich ihr Ziel waren. Schweiß rann kribbelnd ihren Rücken hinab, sie saß matt im Sattel und spürte, wie die Sonne ihr Gesicht versengte. Charles trug einen breitkrempigen Hut, und sie wünschte, sie besäße auch einen. Das Haar klebte ihr am Kopf und im Nacken, und sie träumte davon, in Tanger vom Pier zu springen und in das kühle, türkisblaue Wasser einzutauchen. Lange Zeit war nichts zu hören außer dem Klappern der Hufe auf Fels und Kieseln, dem Knarren der Sättel und dem Stöhnen des Windes. Dann, kurz vor der Hügelkuppe, ritten sie durch ein Feld aus Zie genhäuten, zwischen Pflöcke gespannt, damit sie in der glühenden Sonne trockneten. Sie waren leuchtend rot, blau und grün gefärbt und lagen auf dem felsigen Boden verteilt wie Blütenblätter, die von einer riesenhaften Blume gefallen waren. Während ihr Maultier sich einen Weg zwischen den Häuten suchte, starrte Dimity darauf hinab, fasziniert von all den Farben.
    Schließlich erreichten sie ein hohes, halb eingestürztes Grabmal. An dessen Fuß stieg Charles ab und trank aus einer Wasserflasche, die er anschließend Dimity reichte.
    »Oh, verflixt – du hast dir einen Sonnenbrand geholt! Hast du denn keinen Hut?«, fragte er. Dimity schüttelte den schmerzenden Kopf und scherte sich nicht um ihr verbranntes Gesicht, weil sie aus seiner Flasche trank, die eben noch seine Lippen berührt hatten. »Schon gut, auf dem Rückweg kannst du meinen tragen. Komm, setz dich eine Weile in den Schatten.« Erst als Dimity steif von ihrem Maultier geglitten war und sich hinsetzte, den Rücken an die Ruine gelehnt, verstand sie, weshalb Charles diesen heißen, unbequemen Weg auf sich genommen hatte. Ganz Fes lag unter ihnen ausgebreitet, umgeben von der Ebene und den felsigen Hügeln dahinter. Die Sonne stand schon recht tief im Westen, und alles war in einen orangeroten Schim mer getaucht. Die Stadtmauer schien zu glühen. Dimity schnappte bei diesem spektakulären Anblick nach Luft, und Charles lächelte und wandte sich ebenfalls der Aus sicht zu.
    »Man kann gut verstehen, warum die Könige diesen Ort als letzte und ewige Aussicht gewählt haben, nicht?«, bemerkte er leise. Dimity nickte. Unter ihnen gingen in der Medina allmählich die ersten Lichter an, wo die Schatten am tiefsten waren. Sie zwinkerten wie gefallene Sterne.
    »Solange ich in Blacknowle war, habe ich mir nie vorstel len können, dass es so einen Ort gibt. Es kommt mir irgend wie unfair vor, dass es all das die ganze Zeit schon gab und ich nichts davon wusste.«
    »Es gibt noch eine Million solcher Orte, Mitzy. Je mehr du reist, desto mehr wirst du erst begreifen, wie riesig die Welt in Wahrheit ist.«
    »Werden Sie mich denn auch dorthin bringen, Mr. Aubrey? Nehmen Sie mich mit, wenn Sie gehen?« Kaum hatte sie diese Worte ausgesprochen, war sie fassungslos dar über, dass sie das laut gesagt hatte. Charles schwieg lange, und Dimitys Herz zog sich in Erwartung eines schmerzhaften Hiebes zusammen.
    »Ich werde für dich tun, was ich kann, Mitzy. Wer weiß, wohin das Leben uns noch führt?«, entgegnete er schließlich. Dimity beobachtete ihn verstohlen, während er über die Stadt hinausblickte und der Sonnenuntergang in seinen Augen schimmerte. Ein so intensiver, entrückter Blick – als versuchte er, in eine Zukunft zu spähen, die keiner von ihnen beiden sehen konnte. Sie blinzelte, und ihr Herz entfaltete sich wieder. Ich werde für dich tun, was ich kann, Mitzy. Auf einmal lag alle Verheißung der Welt in diesen Worten. Für dich. Sie saßen lange da, während der Himmel über ihnen dunkler wurde, das Türkis errötete und ein paar hohe Wolkenfetzen silbern und golden leuchteten. Ein himmlischer Duft umgab sie, und Dimity blickte suchend über ihre Schulter und entdeckte einen Jasminstrauch, dessen Ranken an der bröckelnden Mauer des Grabmals Halt fanden und über ihnen hingen, um ihren Duft zu verströmen wie ein Rosenbogen bei einer Hochzeit.
    Celeste und die Mädchen waren

Weitere Kostenlose Bücher