Das verborgene Lied: Roman (German Edition)
weiß. Aber von jetzt an geht es nur noch bergab.«
»Das ist also ein Bio-Hof, ja?«, fragte Zach.
»Ja. Wird er jedenfalls sein, wenn ich es je durch die ganzen Kontrollen und die Zertifizierung schaffe.«
»Langwierig?«
»Unglaublich langwierig. Für alles muss die biologische Herstellung nachgewiesen und geprüft werden – von den Tierarztbehandlungen über das Heu bis hin zur Verarbeitung der Häute nach dem Schlachten. Es kostet einige Hundert Pfund im Jahr, die Zertifizierung zu behalten – allein, damit man den richtigen Organisationen angeschlossen ist und die richtigen Kontrollen zur richtigen Zeit durchführen lassen kann. Aber im Frühling sollte dann Lamm im Kühlhaus liegen, bereit zum Versand, biologische Schaffelle, fertig für den Verkauf, und eine Website mit Online-Shop, wo man tatsächlich etwas bestellen kann, statt sich nur nette Fotos von Portland-Schafen anzuschauen.« Sie hielt an und sprang aus dem Jeep, um ein Tor hinter ihnen zu schließen. Gemeinsam überquerten sie einen kreidigen Feldweg, dessen glatte Oberfläche nach dem Regen so rutschig war wie Schmierseife. »Oder ich bin bis dahin pleite und hause in einem Wohnwagen auf irgendeinem Abstellplatz«, fügte sie mit erzwungener Fröhlichkeit hinzu.
»Warum dann die Mühe mit dem Bio-Siegel? Warum züchtest du nicht einfach eine Menge Schafe, so günstig du kannst?«
»Weil das nicht funktioniert. So hat mein Vater sein Leben lang gewirtschaftet. Aber ganz egal, wie billig ich ein Schaf aufziehen kann, es würde nie so viel einbringen, dass ich davon leben könnte. Ich habe nicht genug Land, um eine riesige Herde zu halten. Und nicht genug Hilfe für diese Größenordnung. Meine einzige Chance, den Hof zu erhalten, ist Spezialisierung. Etwas anderes tun als alle anderen, mir in einer ganz bestimmten Sache einen ausgezeichneten Namen machen.«
»Bio-Portland-Lamm?«
»Genau. Und nicht nur im Frühjahr, sondern das ganze Jahr über. Portland-Hammel ist auch sehr gut. Mageres, aromatisches Fleisch. Und die Wolle der Einjährigen, die erste Schur, ist weicher als ein Kinderpopo. Aber …« Sie neigte den Kopf zur Seite, und obwohl sie so lässig sprach, entdeckte er Besorgnis in ihren Augen.
»Aber?«
»Ich muss den Winter überleben, bis diese ersten Lämmer schlachtreif sind. Und ich muss diese verdammte Bio-Zertifizierung bekommen, am besten vorgestern.«
»Du stehst also eigentlich gerade erst am Anfang, oder?«
»Am Anfang oder am Ende, je nachdem, wie optimistisch ich gerade bin«, entgegnete sie mit einem schiefen Lächeln. »Toby und ich haben erst mit der alten Herde gearbeitet – fünf Jahre lang haben wir versucht, damit irgendwie über die Runden zu kommen. In dem Jahr, in dem er gestorben ist, habe ich die letzten dieser Tiere verkauft. Dann habe ich eine Weile gebraucht, um mir darüber klar zu werden, was ich da eigentlich tue.«
»Aber es hört sich so an, als wüsstest du das jetzt ziemlich genau.«
»Tja, irgendwann kam Ilir. Es nützt nicht viel, einen Mann auf dem Hof zu haben, wenn kein Vieh da ist und nichts zu tun, außer zuzuschauen, wie alles langsam verfällt. Er hat mir sozusagen den Tritt in den Hintern versetzt, den ich gebraucht habe.«
»Ja. Es ist wichtig für einen Mann, nützlich zu sein«, bemerkte Zach leise. Ein albernes Gefühl von Feindseligkeit gegenüber dem unschuldigen Ilir flammte in ihm auf.
Der Jeep rumpelte und schlitterte den Weg entlang bis zum betonierten Hof, und diesmal sprang Zach schnell genug aus dem Wagen, um das Tor zu öffnen und wieder zu schließen, ehe Hannah aussteigen konnte. Mit dröhnendem Motor hielt sie vor dem Wohnhaus und öffnete die Haustür, indem sie sie mit der Schulter rammte und zugleich unten dagegentrat.
»Die Toilette ist die erste Tür rechts. Und wenn du ein einziges Wort über meinen Haushalt von dir gibst, fängst du dir eine«, sagte sie. Das Innere des Hauses war total verdreckt. Nicht so, dass nur mal gründlich aufgeräumt oder durchgesaugt werden müsste. Nein, richtig verdreckt. Zach bahnte sich einen Weg über Haufen schmutziger Lappen, Stücke von Seilen und Ballenschnüren, Strohhalmen, leeren Milchflaschen und seltsamen Gegenständen, deren Funktion er nicht einmal erraten konnte. In einer Ecke lag ein Hundekorb aus Kunststoff, der zu einer seltsamen löchrigen Skulptur zernagt war. Die Decke darin war von einer dicken Schicht grauer Haare umhüllt. Ein Stapel Feuerholz an der Wand hatte einen großen Halbkreis aus
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