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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Balkontür, versuchte, durch ihr Spiegelbild hindurch in die neblige Dunkelheit zu blicken, sah nur sich selbst, den Widerschein der Wohnzimmerlampe und die Straßenlaternen.
    Die Kinder und die Hunde waren verstummt.
    »Ich habe vorhin noch mal mit Berlin telefoniert«, sagte
Bermann. »Der zuständige Kollege heißt Rohwe. Er wird dir gefallen, er hat Ahnungen.«
    »Was sagt er?«
    »›Ick hab da irjendwie ’n komischet Jefühl.‹«
    »Geht’s konkreter?«
    »›So ’ne Ahnung, weeßte. Ick hab da so ’ne Ahnung.‹« Bermann lachte zufrieden. Auf der Liste seiner liebevoll gepflegten Abneigungen standen an erster Stelle die Schwaben, dicht gefolgt von den Schwulen, eigenwilligen Frauen, den Intellektuellen und den Psychologen. Auf Rang sieben oder acht, noch vor den Politikern und den Islamisten, rangierten die Berliner. Platz 1 der Liste seiner Sympathien wiederum teilten sich Kinder und willige Frauen, Platz 3 belegte das jeweils neue Auto.
    So jedenfalls ließ sich Bermanns offizielles Verhalten kategorisieren. Inoffiziell sah es anders aus, doch da er seine inoffiziellen Abgründe höchstens für fünf Minuten pro Woche nicht unter Kontrolle hatte, spielte das keine Rolle. Die Widersprüche wären ohnehin nur schwer zu ertragen gewesen, für ihn, für alle anderen – Louise stand, seit sie nicht mehr trank und äußerlich wieder ansehnlich war, in der Spitzengruppe
beider
Listen.
    »Weeßte«, sagte Bermann inbrünstig.
    »Deswegen schickst du
mich
hin, wegen der Ahnungen?«
    »Janz jenau.«
    Sie war zum Lichtschalter gegangen, hatte die Lampe ausgemacht und kehrte nun im Dunkeln zur Balkontür zurück. Draußen der Nebel, der um die Straßenleuchten herum fast weiß war, Nieselregen und irgendwo an einem Fenster jenseits des Platzes der erste goldgelb strahlende Weihnachtsschmuck. Sie freute sich darauf, in wenigen
Stunden ins Kripoleben zurückzukehren, wenn auch über den Umweg Berlin. Die Langeweile an der Akademie in Wertheim, der Verwandtenbesuch, der Bermann’sche Familienlärm und nun auch noch die Erinnerung daran, dass Weihnachten bevorstand – zu viel Stillstand für ihren Geschmack.
    »Alles wie immer, was?«
    Bermann lachte. »Ick bin zu alt, um mir zu ändern.«
    »Zum Glück«, erwiderte Louise und legte auf.

2
    REGEN UND GRAU AUCH IN BERLIN , dazu ein scharfer Wind, der die Tropfen unter die Überdachung vor den Eingängen von Tegel trieb. Neben Eberhardt Rohwe – Mitte Dreißig, Kriminaloberkommissar bei der Polizeidirektion 2 – eilte sie zum Parkplatz inmitten des Gebäuderinges und kam sich winzig vor: Rohwe maß gut und gern zwei Meter.
    Er deutete auf einen schwarzen Zivilwagen, hielt ihr die Tür auf. Während sie sich anschallten, sagte er: »Kaffee bei uns, Tatort oder gleich ins Krankenhaus?«
    »Tatort, Krankenhaus und dann Kaffee bei euch.«
    Rohwe nickte, ließ den Motor an, fuhr los. Er war kein attraktiver Mann, aber ihr gefielen seine Augen, der klare, intelligente Blick, der erkennen ließ, dass im Kopf dahinter eine Menge ernsthafte Gedanken abliefen.
    Und sie mochte sein kompromissloses Berlinerisch.
    »Schon mal hier gewesen?«
    »Ein-, zweimal für ein paar Tage. Und natürlich auf Klassenfahrt, Ende der Siebziger.«
    »Mit dem obligatorischen Besuch drüben.«
    »Ein paar Stunden am Alexanderplatz.«
    Rohwe lächelte flüchtig. Er hatte den Kopf eingezogen, um nicht anzustoßen. Die Haare waren kaum länger als sein Dreitagebart, auf seiner regennassen Wange saßen zahlreiche Muttermale. »Gibt es in dieser Republik irgendjemanden, der nicht auf Klassenfahrt in Berlin war?«
    Sie zuckte die Achseln. »Die staatliche Bildungspolitik.«
    »Und, woran erinnerst du dich?«
    »Willst du’s wirklich wissen?«
    »Alkoholexzesse?«
    Sie hatten das Flughafengelände hinter sich gelassen, waren auf die Stadtautobahn gefahren. Das Grau des Himmels schien mit dem Grau der Straße und der gesamten Stadt zu korrespondieren. Sie dachte, dass die Winter von Berlin unerträglich sein mussten – Kälte, Wind und alle Farben stumpf und kraftlos. Keine Stadt für sie.
    Sie wandte sich Rohwe wieder zu. »Falsches Thema.«
    »Berlin oder Exzesse?«
    »Alkohol.«
    »Also kein Bier im Revier.«
    »Seit zweieinhalb Jahren nicht mehr, und dabei bleibt es, und mehr gibt’s dazu nicht zu sagen. Mach mal Musik, Eberhardt.«
    »Nicht Eberhardt, bitte, so nennen mich nur meine Exfrauen.«
    »Wie dann?«
    Er schaltete den CD -Player ein, drehte die Lautstärke herunter. Element of Crime,

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