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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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senkte sich über den Raum.
    Louise wandte den Blick zu den Fenstern. Auf dem Boden darunter befand sich ein schmaler Streifen Sonnenlicht. Wie gern hätte sie jetzt dort gelegen, sich in der Wärme geräkelt, den ganzen Tag im weichen Licht geschlafen. Reinhard Graeve hätte sie mit Tee und Gebäck versorgt und
ihr irgendwann, nachdem die Sonne verschwunden wäre, eine flauschige Decke gebracht. Sie dachte an Ben, der ein Sonnenmensch war und den sie noch nicht zurückgerufen hatte, weil sie ihn liebte. Sie war, dachte sie, schon ein komischer Mensch.
    Sie sah Ziller an. »Ist der Tatverdächtige aus Berlin einer von Ihren Leuten? Sind wir an einem verdeckten Ermittler des Verfassungsschutzes dran?«
    »Mit Verlaub«, erwiderte Ziller, »auf so einen abstrusen Gedanken können nur Sie kommen.« Er senkte den Kopf wie ein Stier, der zum Angriff überging. »Sie verstehen, Kollege Graeve, es
kann
keine Soko Ihrer Dienststelle geben. Die Zuständigkeit verbleibt beim Landesamt, Sie stellen sämtliche Ermittlungstätigkeiten ein. Jeder Schritt, den Sie von jetzt an unternehmen, könnte verheerende Konsequenzen haben – für Ihre Dienststelle, für Kollegen von Landesbehörden, die diesen hochkomplexen Fall bearbeiten, für Menschen, die ohne eigenes Verschulden betroffen sind, und natürlich für unser Land.«
    »Natürlich«, sagte Bermann.
    Louise fing einen Blick von Michael Bredik auf, der ihr gegenübersaß. In seiner Miene spiegelte sich Verdruss wider – ob über sie, die Kriminalpolizei Freiburg oder Ziller, ließ sich nicht sagen.
    Sie dachte an die Gerüchte in Bezug auf GoSolar – Insiderhandel, finanzielle Engpässe, Qualitätseinbruch. Sie sah Ernesto Freudenreichs Filzpantoffeln vor sich und Peter Schönes starre kleine Augen. Das Geräusch in ihrem Kopf schwoll an.
    Sie musste ins Bett.
    »Letzter Versuch.« Graeve zog das Jackett aus, legte es auf die Sofalehne. Die Münsterglocken schlugen neun. Auf
der Pilotenuhr war es aus unerfindlichen Gründen zehn vor neun. »Keine gemeinsame Soko, stattdessen rufen wir eine Ermittlungsgruppe auf, die sich nur um die Entführung des Kollegen kümmert. Besprechungen zwischen den Dienststellen finden zwischen Ihnen und mir statt. Unsere Ergebnisse werden an das LfV weitergeleitet, das sich um alle anderen Belange kümmert, sprich … «
    » … die Rettung des Landes«, sagte Bermann.
    Graeve nickte schmunzelnd.
    »Wenn es nach mir ginge … « Ziller zuckte die Achseln. »Aber leider geht es nicht nach mir. Das Innenministerium hat verfügt, dass … «
    »Welches?«, unterbrach Bermann.
    »Entschuldigung?«
    »Das Innenministerium von Baden-Württemberg oder das der Bundesrepublik Deutschland?«
    »Das Innenministerium von Baden-Württemberg natürlich.« Ziller griff seinen Satz nicht wieder auf, die Botschaft war klar: Ihr seid draußen.
    »Nun denn«, sagte Graeve. »Falls Sie an den Erkenntnissen der Soko Interesse haben, lassen Sie es mich wissen. Die ersten Schritte … «
    »Es wird keine Soko geben«, unterbrach Ziller.
    Unbeeindruckt erläuterte Graeve die ersten Maßnahmen der Sonderkommission »Littenweiler«. Aus Sicht der Kriminalpolizei sei Esther Graf bislang die einzige Verbindung zu den Entführern des Kollegen. Die Techniker würden ihr Haus auf Spuren checken, anschließend würden Mitglieder der Soko eine Durchsuchung vornehmen; der richterliche Beschluss liege bereits vor. Alles Weitere hänge davon ab, welche Ergebnisse diese Maßnahmen brächten. Abgesehen davon laufe eine interne Fahndung nach Hans Peter Steinhoff,
der möglicherweise mit einem der Geiselnehmer in Verbindung stehe.
    »Nein, so geht das nicht«, sagte Ziller.
    »Dann kommen wir zur entscheidenden Frage«, sagte Graeve kühl. »Verfügt das LfV über Informationen, die zur Ergreifung der Geiselnehmer führen könnten? Falls ja, sollten Sie sie offenlegen, denn wenn Sie das nicht tun, machen Sie sich der Strafvereitelung im Amt schuldig.«
    Zillers Brauen fuhren in die Höhe. »Sie drohen mir?«
    Graeve antwortete nicht.
    »Die Kripo droht dem Verfassungsschutz? Freiburg droht Stuttgart? Sie … Sie haben nicht einmal einen eigenen Flughafen!« Ziller brach in Gelächter aus.
    »Gott, diese Schwaben«, sagte Bermann.
    Während Ziller noch lachte, erhob Louise sich. »Ich gehe jetzt«, sagte sie, küsste Bermann auf die Wange und bedankte sich, küsste Graeve auf die Wange und bedankte sich. Dann war sie draußen im Gang, eilte in den dritten Stock hinunter, voller Wut und

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