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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Frustration, und irgendwo saß auch die Angst.
Bitter wie hochprozentiger Alkohol
, der doch genauso Erlösung war, vor wenigen Minuten hatte sie wieder daran gedacht, ein Gläschen für eine Stunde Frieden.
    Sie verschloss die Tür ihres Büros, legte sich vor eines der Fenster auf den sonnenlichtlosen Boden, rollte sich zusammen und begann vor Erschöpfung zu weinen.
     
    Als sie eine halbe Stunde später in Jeans und BH am Waschbecken stand, um wenigstens äußerlich zu retten, was zu retten war, trat Bermann ein und setzte sich wortlos auf die Schreibtischkante. Sie ließ das Bassin vollaufen, tauchte das Gesicht bis zum Haaransatz ein. Im kalten Wasser klang das Summen wie ein Rauschen, als stürzten in ihrem Kopf
Niagarafälle in die Tiefe. Sie spürte Bermanns Augen auf ihrem Körper, doch es war ihr gleichgültig. Unfreiheit begann dort, wo man sich von den Blicken anderer bedrängt fühlte. Diese Macht würde sie niemandem je wieder einräumen, schon gar nicht Rolf Bermann.
    Wenigstens das, dachte sie, funktionierte noch: Bermann konnte schauen, wohin er wollte, es interessierte sie nicht.
    Sie richtete sich auf, griff nach dem Handtuch. Nachdem sie den Pulli übergezogen hatte, wandte sie sich um. »Soko-Besprechung?«
    »In zehn Minuten.«
    »Ich hab von Besprechungen die Nase voll.«
    Bermann hob eine Augenbraue. Sie bräuchten sie, sagte er, es sei
ihr
Fall, niemand sonst sei so gut informiert. Es gebe Fragen, die nur sie beantworten könne.
    Sie strich sich die Haare zurück, schlang im Nacken ein Gummi darum. »Dann frag jetzt. Ich setze mich heute in keine Besprechung mehr.«
    Bermann seufzte. »Also, erzähl. Von Anfang an.«
    Sie sprach, er hörte zu, ohne Fragen zu stellen. Währenddessen nahm sie das Waffenholster aus der Schublade und befestigte es am Gürtel. Bermann hatte sich halb umgedreht und verfolgte ihre Bewegungen mit den Augen.
    Als sie geendet hatte, schlüpfte sie in ihre Jeansjacke. »Ich fahre nach Littenweiler und dann zu GoSolar.«
    »Allein, nehme ich an.«
    »Ja.«
    »Es geht nur noch allein, oder?«
    »War doch schon immer so, Rolf.«
    Unser
lonely wolf,
hatte Alfons Hoffmann einmal gesagt. Immer allein, auch jetzt, wo alles wieder gut ist. Ach Quatsch, hatte Louise erwidert.
    Alfons Hoffmann, der nach einem Herzinfarkt im August nicht mehr in den Dienst zurückgekehrt war.
    »Littenweiler kannst du allein machen, zu GoSolar nimmst du einen Kollegen mit«, sagte Bermann.
    »Einen von den Aktenwürmern?«
    »Mal sehen.«
    »Nicht Peter, nicht Ulf, nicht Annemarie, ja? Keine Lust mehr auf Probleme.«
    Bermann lächelte düster. »Wen hätten wir denn gern?«
    »Illi, Mats oder Anne wären okay. Ebbe Rohwe aus Berlin, mit dem komme ich auch ganz gut klar. Hat einen guten Musikgeschmack, und das zählt viel.«
    Schweigend sahen sie sich an. Dann glitt Bermann vom Schreibtisch und ging zur Tür. Die Klinke in der Hand, wandte er sich um und musterte sie.
    »Wenn der Kollege da ist, ist er da, wenn nicht, dann nicht, alles klar?«, sagte Louise.
    Er nickte.
    »Und jetzt sag’s, damit wir’s hinter uns haben.«
    »Trinkst du wieder?«
    »Nein.«
    »Solange du nicht trinkst, stehe ich hinter dir.«
    »Ich weiß.«
    »Wenn du wieder anfängst, reiß ich dir den Arsch auf.«
    »Auch das weiß ich.«
    Bermanns Miene ließ vermuten, dass er noch etwas zu sagen hatte, vielleicht sogar vieles. Sie wartete auf das Bermann-Wort, das die Vermutung bestätigen würde –
okay
. Nur Rolf Bermann konnte dieses Wort so klingen lassen, dass darin andere Wörter mitschwangen, Wörter wie: Ich freue mich, dass du wieder da bist. Ich habe dich vermisst. Ich weiß nicht, was mit dir los ist, aber ich mache mir
Sorgen um dich. Ich möchte, dass du wieder auf die Beine kommst, denn ohne dich würde die Arbeit keinen Spaß mehr machen.
    Solche Wörter.
    »Okay«, sagte er.
     
    Littenweiler lag im Sonnenschein, doch als sie die Straße zu Esthers Haus hinauffuhr, schob sich der bewaldete Hang vor die Sonne. Im kühlen Schatten stieg sie aus und ging die mittlerweile vertrauten Stufen hinauf. Sie fragte sich, wo Kilian sein mochte, wie es Marc ging. Seit eineinhalb Stunden keine Nachricht mehr. Als Fahnder hatte Kilian Erfahrung mit Observierungen. Aber sie zweifelte daran, dass er Esthers Schutzengel gewachsen war.
    »Ich hoffe, du hast an Kaffee gedacht«, rief Lubowitz, der vor der geöffneten Haustür stand und rauchte. Er trug einen weißen Mikrospurenanzug, gelbe Socken, keine Schuhe. Aus dem Haus

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