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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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Neueinstellungen ein wichtiges Kriterium«, fuhr Ziller fort. »Ob der Bewerber Kinder hat. Durch Kinder lernt man, Verantwortung zu übernehmen. Die Welt dreht sich nicht mehr um einen selbst, sondern
um Schutzbefohlene. Man wechselt die Perspektive. Erst durch Kinder wird man erwachsen und damit zu einem vollwertigen Mitglied dieser Gesellschaft.« Er wandte sich seinen Mitarbeitern zu. »Habe ich nicht recht?«
    Antje Harth nickte ernst, Michael Bredik deutete eine Kopfbewegung an. Ohne es zu wollen, dachte Louise an Kilians Worte – ein Pärchen, das sich nicht allzu leidenschaftlich küsste. Leidenschaft war bei den beiden tatsächlich unvorstellbar. Harth wirkte spröde, Bredik spießig – ein Mauerblümchen und ein Aktenverwalter.
    »Die Kollegen Harth und Bredik haben ebenfalls Kinder.« Ziller lächelte wieder. »Ist noch ein Schluck Tee übrig?« Er hielt seine Tasse hoch.
    »Bedienen Sie sich, Kollege Ziller«, sagte Graeve und rührte sich nicht.
    Ziller schenkte sich nach. Er lächelte noch immer.
    »Was für eine billige Nummer«, sagte Bermann.
    Louise musterte ihn überrascht. »Hab ich was verpasst?«
    »Nicht aufregen.« Bermann klopfte ihr mit der Hand aufs Knie. »Lohnt sich nicht.«
    »Die Wahrheit
ist
manchmal billig«, sagte Ziller.
    »Da hat er recht«, murmelte sie.
    Ziller sah sie an. »Und manchmal ist sie bitter wie hochprozentiger Alkohol.«
    »Ach so«, sagte Louise.
    Sie hatte begriffen. Kinderlos und Alkoholikerin.
    Graeve beugte sich mit einem bedrohlichen Räuspern vor, schenkte sich Tee ein, gab Sahne und Kluntjes in seine Tasse. »Kollege Ziller«, sagte er schließlich, »Sie sind hier Gast. Benehmen Sie sich entsprechend.«
    Ziller lächelte.
    »Keine derartigen Anspielungen mehr, sonst gehen Sie.«
    Das Lächeln wurde breiter. Aus Zillers geschlossenem Mund drang ein zufriedenes Glucksen.
    »Leute«, sagte Louise bittend. »Es geht doch nicht um mich … «
    Ziller wandte sich ihr zu, hob die Hand, ein Finger zeigte auf sie, dahinter funkelte das Insekt. »Das ist ein großer Irrtum.«
    » … sondern um Esther Graf.«
    »Ein weiterer Irrtum.«
    »Wie bitte?«
    Ziller lehnte sich zurück, schlug die Beine übereinander, legte die Hände darauf. Das Uhrband klickte. »Sie alle haben eines nicht verstanden. Die Graf ist nur ein kleines Rädchen im Getriebe. Sie ist letztlich unwichtig.«
    »Warum hat sie dann versucht, sich umzubringen?«, fragte Louise und biss sich im selben Moment auf die Lippe. Bermann stöhnte, Graeve räusperte sich wieder. Eine Steilvorlage.
    »Weil
Sie s
ich eingemischt haben«, erwiderte Ziller.
    »Ich glaube, wir brauchen alle eine Pause«, sagte Graeve.
     
    Die Stuttgarter zogen sich zum Rauchen zurück, Bermann verschwand mit dem Hinweis, er müsse telefonieren, Louise ging zur Toilette. Als sie zurückkam, saß Reinhard Graeve am Schreibtisch.
    »So kommen wir nicht weiter, Chef.«
    »Das fürchte ich auch.«
    Sie trat zur Fensterfront. Der Turmhelm des Münsters reflektierte das Sonnenlicht, über der Dreisam flog ein Schwarm Vögel. Nördlich der Stadt blitzte ein Kleinflugzeug auf, und für einen Moment kam es ihr so vor, als gehörte das Summen in ihrem Kopf zu der Maschine.
    Bitter wie hochprozentiger Alkohol.
    Sie verdrängte die Scham und das Gefühl der Demütigung. »Ich könnte kotzen.« Sie hörte Graeve freundlich schnauben und wandte sich um. »Wenn ich das Problem bin, sollte ich nicht an dem Gespräch teilnehmen.«
    »Das Problem ist Henning Ziller.«
    Sie lächelte schief.
    »Kein Selbstmitleid, Louise. Das können wir uns jetzt nicht leisten. Haben Sie schon etwas von Lubowitz gehört?«
    »Nein. Ich fahre später nach Littenweiler und rede mit ihm. Dann schaue ich bei Esther Graf vorbei.«
    Sie hatte am frühen Morgen im Krankenhaus angerufen, mit einer Nachtschwester gesprochen. Esther war gegen fünf erwacht, kurz darauf wieder eingeschlafen. Keine Besucher, keine Anrufe bislang. Verwandte hatten sich noch nicht ausfindig machen lassen. Auf entsprechende Fragen hatte Esther nicht geantwortet.
    Es klopfte, Bermann kam zurück. Sein Blick fand Louise, schmunzelnd hob er die Arme, was vieles bedeuten konnte, vielleicht auch dies: Schön, dich wieder hier zu haben, drei Monate sind eine lange Zeit. Sie hatten seit Juli nur telefoniert und sich an diesem Morgen erst bei Graeve getroffen.
    »Legst ja gleich mächtig los.«
    Sie zuckte die Achseln.
    »Zwei Tage im Dienst, schon sind die Kripo Berlin und das LfV sauer.« Er grinste

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