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Das verborgene Netz

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Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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krachte ins Schloss, im selben Moment klingelte ihr Handy. Eine unbekannte Nummer, das Krankenhaus, man stellte zu Bertram Faller durch. Er habe Esther Graf wie gewünscht gefragt, sagte er, sie habe es selbst getan. Jetzt wolle sie wissen, wer der Mann sei, der sie verbunden habe. »Wissen Sie das inzwischen?«
    »Leider nicht. Hat sie den Mann gesehen? Sein Gesicht?«
    »Ja.«
    »Kann sie ihn beschreiben?«
    »Ich glaube nicht, sie war praktisch nicht bei Bewusstsein.«
    »Haben Sie sie gefragt?«
    »Nein.« Fallers Ton ließ keinen Zweifel: Er würde sie auch nicht fragen. Niemand würde sie fragen, vorerst wenigstens, dafür würde er sorgen. »Haben wir’s dann?«
    »Hat er etwas gesagt?«
    Sie hörte ein Schaben, als kratzte Faller sich den Bart. »Sie hat es nicht genau verstanden. Es klang wie:
Was hast du getan, was hast du getan?«
    »Mehrmals?«
    »Drei-, viermal.«
    Sie ahnte jetzt, was den Unbekannten mit Esther verband. Er hatte über die Wanzen und Kameras an ihrem Leben teilgenommen, vielleicht schon seit Wochen oder Monaten, und dabei die Distanz verloren. Sie war zu einem Teil s
eines
Lebens geworden. »Hat sie Besuch bekommen?«
    »Von wem?« Fallers Ton war eindeutig – keine Frage, sondern eine traurige Feststellung. Esther schien niemanden zu haben, der sie hätte besuchen können.
    »Noch was«, sagte Louise. Esther musste jemanden vom Klinikpersonal gebeten haben, sie bei GoSolar krankzumelden.
    »Ja, wir haben angerufen.«
    »Wen?«
    »Die Personalabteilung.«
    »Niemand sonst? Eine Kollegin?«
    Wieder antwortete Faller nicht.
    Sie zwang sich, ruhig zu bleiben. Faller schützte Esther nach Kräften, und das fand sie ehrenwert, weil es nicht die Regel war. Suizidpatienten wurden auf den Intensivstationen vieler Allgemeinkliniken psychosozial nicht optimal betreut. Dass Faller Esthers Interessen auch über die der Kriminalpolizei stellte, musste man hinnehmen.
    Zumindest für ein paar Sekunden.
    Ihr Blick fiel auf die Haustür. Erst jetzt bemerkte sie, dass Esthers gelber Regenschirm im Gras lag. Sie hob ihn
auf, lehnte ihn an die Stelle, wo er bei ihrem ersten Besuch gestanden hatte.
    Dann war ihre Geduld erschöpft. »Faller, aus Esthers Haus sind heute Nacht bewaffnete Geiselnehmer … «
    »Annette Mayerhöfer«, unterbrach Faller unwirsch.
    »Danke. Was haben Sie ihr erzählt?«
    »Dass Frau Graf eine Sepsis hat.«
    Sie nickte. Bertram Faller ging weit für seine Patienten.
    »Aber es bleibt dabei: keine Gespräche.«
    »Schon verstanden. Richten Sie ihr Grüße von mir aus?«
    »Auf keinen Fall.«
     
    Im Auto zog Louise den Zettel aus der Tasche, auf dem sie sich die Nummer von Bens Hotel notiert hatte. Während das Freizeichen erklang, überlegte sie, was sie sagen sollte.
Ich liebe dich auch,
war zu gewagt,
Wie sind die Frauen da unten so?,
entblößend, genauso
Handy verloren, Ben, das klingt merkwürdig, findest du nicht?
Vielleicht also:
Wie ist das Wetter bei euch?
oder:
Ich hab da einen Ton im Ohr, von einer kaputten Lampe, weißt du.
Am liebsten würde sie ja sagen:
Komm noch nicht am Wochenende heim, ich bin grad nicht so stabil, komm erst, wenn ich dich nicht mehr brauche, sondern nur noch … mag.
    Noch immer das Freizeichen. Sie atmete auf – für diesmal ging der Kelch an ihr vorbei.
    Aber dann meldete er sich doch. »Liebermann.«
    »Hey … «
    »Hey!« Sie hörte ihn erleichtert lachen.
    »Die Verbindung … «
    »Hab mir schon Sorgen gemacht.«
    »Die Verbindung ist scheiße, ich hör dich kaum … «
    »Du fehlst mir, Louise.«
    »Bist du noch dran?«
    »Ja. Irgendwie … «
    Was
irgendwie
?, dachte sie verzweifelt.
Irgendwie liebe ich dich, irgendwie will ich dich heiraten?
Halt bloß den Mund, Ben … »Ich hab gerade einen ziemlich schwierigen Fall … Bist du noch dran?«
    »Ja.«
    »Und ich hab einen komischen Ton im Ohr, von einer kaputten Lampe.«
    »Hm.«
    »Diese Scheißverbindung … Warum musst du … «
    »Erzähl von dem Fall.«
    » … ausgerechnet nach Sarajewo, warum kannst du nicht nach Zürich fahren oder nach London, da kann man wenigstens telefonieren.«
    Keine Antwort.
    »Ich hör dich nicht, Ben.«
    »Hab nichts gesagt.«
    »Das ist alles so
kompliziert

    »Was willst du mir sagen, Louise?«
    Vieles, Ben, dachte sie, und am liebsten nichts. »Ich war vorgestern in Berlin. Mein Fall, weißt du. Gefällt mir nicht. Also, Berlin. Ist nicht meine Stadt.«
    »Lass uns darüber reden, wenn ich wieder da bin.«
    »Würgst du mich jetzt

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