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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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einem Tischchen lag ein Solarmagazin. Während sie noch über die Bedeutung von »Energierücklaufzeiten« und »solare Inselsysteme« nachdachte, schlief sie ein.
     
    Eine Berührung an der Schulter weckte sie. Sie schlug die Augen auf.
    Sie hatte ein Bein über die eine Sessellehne gelegt, hing rücklings über der anderen. Ein Gähnen unterdrückend, richtete sie sich auf. Neben ihr stand eine Frau mit halblangen schwarzen Locken, die die linke Seite der Stirn bedeckten, und lächelte freundlich. Schmale Brille, modisches Kostüm, die von dunklen Streifen durchzogene Bluse war bis zur Dekolletémitte geöffnet. Ohne Frage attraktiv und selbstbewusst, bestimmt auch zielstrebig und clever. Der Gegenentwurf zu Esther Graf.
    Am Revers des Blazers steckte ein Namensschild. So machte das Suchen Spaß, dachte Louise zufrieden – gefunden werden, während man schlief.
    »Im Liegen werden Sie hier keine Karriere machen«, sagte Annette Mayerhöfer.
    »Dann kündige ich.«
    Mayerhöfer lächelte. »Suchen Sie mich?«
    »Wenn Sie ein Sofa haben.«
    »Wir haben einen Ruheraum im vierten Stock.«
    »Dann wäre der Monat schnell rum. Kaffee?«
    »Dahinten ist eine Kaffeetheke.«
    Louise streckte sich. »Ich warte gern.«
    »Wollen wir eben klären, wer Sie sind, bevor Sie mich zum Kaffeeholen schicken?«
    »Verlangen Sie nicht zu viel von mir.« Lächelnd kam Louise auf die Beine, griff nach ihrer Jeansjacke. »Louise Bonì, Kriminalpolizei Freiburg, ich brauche zehn Minuten Ihrer Zeit.« Sie fischte die Dienstmarke aus der Tasche. »Latte macchiato, wenn Sie haben, mit zwei Stückchen Zucker bitte.«
    Annette Mayerhöfer starrte sie mit großen Augen an.
    »Keine Sorge, nur ein paar Fragen.«
    »Ich
wusste
es.«
    »Was?«
    Mayerhöfer senkte die Stimme. »Nicht hier.«
     
    Annette Mayerhöfer war im Gründungsjahr von GoSolar eingestellt worden, 1996 . Sie hatte die schwierige Anfangszeit der Firma miterlebt, den ersten Boom der Branche, den Börsengang 2001 , den Markteinbruch 2002 , die Errichtung der Gebäude in Freiburg-Haid, die Großaufträge, die GoSolar unter die Top Ten der Solarzellenproduzenten gebracht hatten, den nächsten Boom. Sie war dreiunddreißig und gehörte zum Firmeninventar. Vor drei Wochen hatte sie gekündigt.
    »Ich will nicht zusehen, wie hier alles vor die Hunde geht«, sagte sie. »Verstehen Sie?«
    »Nein«, sagte Louise.
    Sie saßen in dem Büro, das Mayerhöfer sich mit Esther Graf teilte, einem Raum von beeindruckenden Dimensionen, wenn auch nur halb so groß wie der von Gerhard
Kleinert. In der Mitte verlief eine unsichtbare Trennlinie, auf deren Seiten sich je ein Schreibtisch und drei Wandregale befanden. In Mayerhöfers Hälfte standen außerdem Grünpflanzen und ein Teewagen mit mehreren Orchideen, in Grafs Hälfte ein schmaler Metallschrank, daneben führte eine Tür ins Nachbarbüro.
    Den Latte macchiato hatte Mayerhöfer im Schreck vergessen.
    »Was wussten Sie?«, fragte Louise. »Und warum geht die Firma vor die Hunde?«
    Mayerhöfer klopfte mit dem rechten Zeigefinger auf die Schreibtischplatte und musterte Louise mit leicht überraschtem Blick. »Sind Sie nicht wegen der Gerüchte hier?«
    »Ich dachte, die wären widerlegt?«
    »Offiziell ja.«
    »Aber?«
    »Egal, ob sie stimmen oder nicht: Wenn solche Gerüchte einmal in der Welt sind, haben Sie ein ernsthaftes Problem. Sie brauchen viel Geld, Energie und Kapazität, um dagegen anzugehen. Und falls sie doch stimmen … « Mayerhöfer zuckte die Achseln. Sie habe, sagte sie und rückte die Brille gerade, absolut keine Lust, in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem Manager oder Vorstandsmitglieder eines Tages krimineller Machenschaften überführt würden. Ohnehin habe sie es sich ein wenig zu bequem gemacht. Zehn Jahre bei derselben Firma – Zeit für neue Herausforderungen, für einen Wechsel, einen Umzug. »Ich gehe zum 1 . 1 . nach Hamburg zu einem Energiekonzern. Die wollen den Bereich Windkraft ausbauen, das interessiert mich. Überrascht?«
    »Ein bisschen, ja. Sie arbeiten zehn Jahre für GoSolar, und dann wechseln Sie wegen ein paar Gerüchten?«
    »Es sind ja nicht nur die Gerüchte.« Mayerhöfers Zeigefinger begann, einen unruhigen Takt zu schlagen, langsam, langsam, schnell.
    Mit den Gerüchten hatte es angefangen, irgendwann in diesem Jahr. Sie hatten bewirkt, dass sich die Atmosphäre in der Firma änderte. Die Zukunft des Unternehmens war plötzlich ungewiss, Angst um den Arbeitsplatz hatte sich breitgemacht, das

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