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Das verborgene Netz

Das verborgene Netz

Titel: Das verborgene Netz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Bottini
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sagte sein Kollege. »Falls ihr noch mal losgeht.«
    Ohne die beiden zu beachten, sah Louise auf die Spuren im Waldboden. »Er ist wieder gestürzt.«
    »Ja«, bestätigte Lubowitz. »Und hier hat er aus zwei Wunden geblutet.« Er zeigte auf eine längliche Eindruckspur, die vermutlich von einem Körper stammte, und dunklere Stellen daneben. Dort, wo sich Hüfte und Schultern befunden haben mussten, waren die Eindrücke tiefer. »Die erste Kugel in den linken Arm oder die linke Schulter, die zweite ins rechte Bein.«
    Er hob die Hand, deutete auf den Weg jenseits der Absperrbänder, wo in unregelmäßigen Abständen andere weißgekleidete
Kollegen knieten. »Von hier aus konnte er nicht mehr weiterlaufen, er hat das rechte Bein nachgezogen. Weit wird er es nicht geschafft haben, vielleicht zwei-, dreihundert Meter. Wenn sie ihn nicht weggetragen haben, werdet ihr da irgendwo eine Leiche finden.«
    »Sie?«, fragte Louise.
    »Sie waren zu zweit hinter ihm her. Einer ist groß und schwer, einer mittelgroß und leicht. Zwei Männer oder ein Mann und eine Frau.«
    Er hatte den Satz kaum beendet, als im Dickicht abseits des Weges ein Hund anschlug. Zweige brachen, jemand hatte zu rennen begonnen. In etwa einhundertfünfzig Meter Entfernung sah Louise einen Rottweiler, hinter ihm den Diensthundeführer, dann waren die beiden zwischen Bäumen und Büschen verschwunden.
    Rufe erklangen, die sich von Mann zu Mann fortsetzten.
    »Immer das Gleiche«, murmelte Lubowitz knarzig.
    »Eine Scheißelefantenherde«, sagte sein Kollege. »Da kannst du jede Spur vergessen.«
    Plötzlich waren alle Stimmen und Geräusche verstummt.
    Sie hatten die Leiche entdeckt.
     
    Louise und Kilian erreichten den Fundort nach Lubowitz, der vier uniformierte Kollegen brummelnd zur Seite drängte. Ein wenig abseits saß der Hundeführer, streichelte den Rottweiler, sprach leise auf ihn ein.
    Noch bevor Louise einen Blick auf den leblosen Körper warf, wusste sie, wer der Tote war. Etwa einen Meter vor ihm lag ein hellbrauner Loafer.
    Der Fuß nackt, beige Flanellhose, weißes, von Blut durchtränktes
Hemd. Philipp Schulz war in Oberschenkel, Arm und Hinterkopf getroffen worden.
    »Bleibt mir bloß von ihm weg, ja?«, sagte Lubowitz und schlang das lose Ende des Absperrbandes um einen Baum.
    Louise ging weiter, bis sie die linke Gesichtshälfte sehen konnte. Das herzliche Lächeln war erloschen, der Kiefer nach unten gesunken, die Augen standen einen Spalt offen. Die Muskeln waren erschlafft, das Gesicht zeigte keinerlei Ausdruck mehr. Sie hockte sich auf die Fersen, rief sich die Sekunden in der vergangenen Nacht in Erinnerung, als sie vor Esthers Haus in die Augen jenes Mannes gesehen hatte, den sie für deren Schutzengel hielt.
    Sie konnte keine Ähnlichkeit erkennen.
    Doch in Littenweiler war sie einem lebenden Menschen begegnet, hier lag ein Toter mit halb geschlossenen Augen.
    Sie musste an Henning Ziller denken, der vor verheerenden Konsequenzen gewarnt hatte, falls die Kripo ihre Ermittlungen nicht einstelle. Er hatte recht behalten. Philipp Schulz wäre noch am Leben, wenn sie nicht Annette Mayerhöfer aufgesucht hätte.
    Sie rieb sich die Brust, bemühte sich, ruhig zu bleiben. Dass man Schulz, der vielleicht nicht Esthers Schutzengel, doch vermutlich Teil des unsichtbaren Netzes um GoSolar gewesen war, ermordet hatte, passte überhaupt nicht ins Bild. War er in Panik geraten, nachdem er ihr am Mittag begegnet war? Vielleicht hatte er aussteigen wollen und war auf diese Weise daran gehindert worden. Doch von wem? Von Steinhoff? Dem Schutzengel?
    Und wessen Schatten hatte sie hinter Schulz’ Fenster gesehen?
    Wieder fiel ihr Ziller ein. Er hatte von einem »hochkomplexen Fall« gesprochen. Niemand hatte ihn ernst genommen.
    Auch sie nicht.

III Die Spinne
    15
    DREI STREIFENWAGEN , zehn Schutzpolizisten, rund dreißig Schaulustige, die in sicherer Entfernung warteten, dazu Nachbarn in Haustüren oder an geöffneten Fenstern – wie Ebnet war auch die Herrenstraße am Schwabentor in Aufruhr. Und sie selbst, dachte Louise, während sie im hektischen Zucken der Blaulichter vor den Uniformierten abbremste, kam immer zu spät.
    Kilian und sie stiegen aus. Die Sonne war untergegangen, der Himmel hatte sich bewölkt. Leichter Regen fiel, der die Neugierigen nicht weiter zu stören schien. In kleinen Gruppen standen sie entlang der Häuser gegenüber, beleuchtet von einer Straßenlaterne und den Blaulichtern, deren Widerschein von den Häuserwänden

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