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Das verborgene Wort

Das verborgene Wort

Titel: Das verborgene Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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denn ich wußte, da lag auf Heu und Stroh das Weihnachtswunder von Dondorf.
    Do kütt et jo, sagte Tante Berta und machte uns Platz. Die Menge öffnete sich, meine Mutter und ich traten ans Krippchen. Der Vater war mit dem Bruder gleich auf die Männerseite unter die Kanzel gegangen. Ob der Bruder auch das Krippchen sehen wollte, wer gab schon was darauf.
    Heldejaad, die Mutter riß mich dicht an sich heran, wie kütt die Popp hieher?
    Alle Köpfe wandten sich uns zu. Die Mutter hielt meine Hand im Zangengriff. Schräg gegenüber stand der dicke Kurt, Sohn des Brauereibesitzers, in seinem pelzgefütterten Lodenmantel und schnitt mir eine schadenfrohe Grimasse. Im Krippchen lag Fritz in Christkindchens Arm und war noch immer schwarz.
    Um Jottes willen, drängte sich die Frau vom Kohlenhändler nach vorn. Sie trug im Winter ihre Fuchsstola über dem Mantel, zwei im Nacken zusammengenähte Bälger, deren Köpfe und Klauen ineinander verhakt zwischen den Brüsten baumelten.
    Esch han et ald immer jewoß, mer muß sesch jo blos de Fen- gernääl von däm Blaach ansin. Damit ergriff sie meine Rechte, riß den Fäustling ab und hielt anklagend meine Hand mit den weißgefleckten Fingernägeln in die Höhe. Todsünden! Weiße Flecken auf den Fingernägeln logen nicht.
    Die Mutter ließ meine Hand sofort los und wich mit den ande-
     

ren vor mir zurück, wurde zu einem Teil der Menge, die mich mit der Kohlenhändlerin, der Heiligen Familie, Ochs und Esel, drei Hirten, zwei Schafen, einem Engel und Fritzchen einschloß. Ich begann zu weinen. Es klingelte. Der Meßdiener hatte das Satinband gezogen, das vor dem Geräteraum, jetzt der Sakristei, hing. Der Pastor trat heraus. Das Harmonium setzte ein. Doch ein Blick in die Halle belehrte den Pfarrer, daß hier etwas Seltsames vor sich ging. Anstatt zum Altar lenkte er seine Schritte zu den Beichtstühlen, dorthin, wo nahe der Marienfigur das Krippchen stand. Wieder teilte sich die Menge.
    Nun, was geht hier vor? fragte er.
    Dä, sagte die Kohlenhändlersfrau, dä. Dat ist doch die Höhe, Herr Pastor, dat is eine Entweihung. Vor dem Krippschen kann unsereins doch nit mehr beten. Un hie dem Blaach jehört die Popp. Maria, wandte sie sich an meine Mutter, nu sach doch ens jett. Blutübergossen stand die Mutter da und preßte die Lippen zusammen.
    Isch, isch, schluchzte ich, konnte aber kein Wort herausbringen. Waat, bis mer daheem sin, stieß die Mutter hervor.
    Ja, Hildegard, der Pastor ging vor mir in die Knie, was ihm schwerfiel mit seinem Bauch und den alten Gelenken. Jetzt war er fast so groß wie ich und konnte mir direkt in die Augen sehen. Ist das deine Puppe?
    Ja, schluchzte ich, dat is der Fritz. Un jetauft is der auch, in der Rejentonne.
    So, sagte der Pastor. Und wie kommt der Fritz in das Krippchen hier?
    Den han ich do reinjelescht.
    Ja, aber liebes Kind, weshalb denn? Stell dir einmal vor, alle kleinen Mädchen würden ihre Puppen in das Krippchen legen. Das Christkind hätte ja gar keinen Platz mehr.
    Aber dä Fritz is doch schwaz, und dat Christkind sollte den weiß machen.
    Aber Kind, der Pastor schüttelte den Kopf, jetzt nimmst du dein Fritzchen und betest schön, und nach der Andacht kommst du mit deiner Mutter in die Sakristei.
    Triumphierend schaute die Kohlenhändlerin in die Runde der Frauen, die sich rasch in den Kirchenbänken zerstreuten.
    ** Traumtopf, abwertend für geistesabwesenden MenschenWaat, bis mer dahem sin! Wenn dat der Papp hürt, zischte die Mutter noch einmal. Ich schaute zum Vater hinüber. Der döste wie die meisten anderen Männer auch. Das Harmonium hob an. Ein gewaltiges >0 du fröhliche< ließ den Vater zusammenfahren. Die Frauenstimmen begannen, die Männer fielen ein paar Takte später ein, >Gnaden bringende Weihnachtszeit^ Meine Manteltasche beulte der schwarze Fritz.
    Nach der Andacht gingen die Menschen schnell nach Hause. Kaum einer, den das Jesuskind im Krippchen so allein noch interessierte. Mer müsse noch in de Sakristei, wejen däm hie. Die Mutter ruckte mich am Arm, dem Vater, der mit dem Bruder an der Hand die Kirche gerade verlassen wollte, vor die Füße. Wenn de wills, kanns de mitjonn.
    Der Pastor hatte seine Gewänder, Talar, Rochette und Velum, schon abgelegt und fuhr sich noch einmal mit dem Kamm durch sein kräftiges graues Haar. Sein rundes, festes Gesicht war immer stark durchblutet. Er lachte gern mit weit aufgerissenem Mund und ließ dabei eine Reihe goldgefaßter Backenzähne blitzen. Von Zeit zu Zeit fand

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