Das verborgene Wort
bewegt wie ..., wie ..., wie ... eine grüne Schlange, fiel ich ein, und Trudi sah mich wiederum mit großen Augen an, worauf ich nur vielsagend den Kopf wiegte. Trudi aber war schon weiter, im Griff des Kääls die Böschung hinunter ins Erlengestrüpp, ins Unterholz, in die Weiden am Rhein. Plötzlich hätten ihre Knie nachgegeben. Aus dem Griff des Kääls sei sie auf alle viere gefallen wie ein Hund und habe zu würgen angefangen, zu kotzen. Dabei habe sie genau gemerkt, wie der Kääl ihr den Rock gehoben und die Hose runtergezogen habe, et wor jo wärm, stöhnte Trudi, esch hatt nit vell an. In immer neuen Schüben hätten sich halbverdaute Fischbrötchen und Likör in ihrem Mund gesammelt, immer neue Krämpfe hätten sie geschüttelt und vornübergeworfen, während sich der Kääl an ihr zu schaffen gemacht habe, bis sie beide fast gleichzeitig zusammengebrochen seien, sie, einen letzten Schwall von sich gebend, dä Kääl mit einem Zucken und Stöhnen, als kotze er auch. Sie sei liegengeblieben, wie lange, wisse sie nicht. Als sie wieder zu sich gekommen sei, habe ihr Gesicht im Erbrochenen gelegen. Der Kääl war weg, der Bauch tat weh. Blut habe sie auch gesehen, da habe sie geglaubt, sie habe vor Schreck die Tage gekriegt. Sie sei in den Rhein gegangen und habe sich saubergemacht. Zu Hause habe sie keinem etwas erzählt. Der Vater prügle sie tot, wenn er von der Schande erführe. Und die Mutter habe vor dem Vater mehr Angst als vor der Hölle.
Von weither schlug eine Kirchturmuhr. Wir sprangen auf und hasteten in den Unterricht. Warenkunde. Die vier Gebote für den klugen Einkäufer.
Es wurde spät an diesem Abend in der Eisdiele. Ja, gebeichtet habe sie schon, erzählte Trudi weiter. Eigens nach Langenhusensei sie dafür gefahren, wo sie niemand kenne, aber der Pastor hätte alles so genau wissen wollen, und so genau habe sie das doch gar nicht mitgekriegt, sie sei ja mit Kotzen beschäftigt gewesen und hätte auf Einzelheiten am anderen Ende ihres Körpers nicht achten können.
Als der Pastor auch noch habe wissen wollen, ob sie denn gar keine Lust verspürt habe, sei sie wütend aufgestanden und gegangen, ohne Buße und ego te absolvum. Reue, o ja, Reue verspüre sie, aber mehr noch Wut, Wut op dä Kääl, aber auch auf sich selbst. Esch wor doch esu besoffe, sagte Trudi, über ihrer Bananenmilch schon wieder den Tränen nahe, dat esch nit jemerk han, wie et passiert es. Un et wore och nit ming Daach, esch meen, dat Bloot, dat esch jesinn han. Dä Kääl hät mesch zerresse.
Rotgeweint und verquollen saß mir Trudi auf dem Plastikstuhl gegenüber.
Ob sie dän Kääl wiedergesehen habe und ob sie wenigstens wisse, wie er heiße und wo er wohne?
Heinz, heiße er, sagte sie, Heinz Holl, und er wohne in Hölldorf, arbeite in einer Baukolonne, ungelernter Maurer. Wiedergesehen habe sie ihn von weitem, auf der Straße, aber er habe sein Moped nicht einmal angehalten, und im Hochamt sei er vor dem Segen schon gegangen.
Trudis Stimme wurde mit jedem Wort fester und empörter. Das Unfaßbare auszusprechen tat ihr gut.
Heiraten, hatte ich, ohne zu zögern, gesagt, heiraten müsse Trudi dä Kääl, so war es in den Büchern mit glücklichem Ende. Andernfalls führte der Weg ins Wasser oder ins Kloster. Auch Selbstmorde, getarnt als Lungenentzündung nach leicht bekleidetem nächtlichem Wandeln im Park, gab es mitunter. Die Zeiten von Holzstoß oder Schafott für ein sündiges Gretchen waren gottlob vorbei. Doch hatte es sich in meinen Büchern niemals um ungelernte Maurer gehandelt, die Schänder waren meist aus gutem Hause, Adel und Bürgertum, leichtsinnig oder heruntergekommen; manchmal gab es Subjekte; doch so wie dä Kääl hatte keiner von ihnen et getan. Laue Sommernächte, Fliederbüsche, Kornfelder, Heuschober, Abschiede und Nachtigallen waren ihnen zur Hand, zuweilen beschleunigten Kriege und Duelle ihre niederträchtigen Erfolge. Auch auf dem Papier ge-schah et mitunter im Rausch, allerdings in dem der Leidenschaft, nicht des Besoffenseins. Die Art und Weise, wie Trudi in ihren Zustand geraten war, ließ mich fast an meinem Rat zweifeln.
Doch Trudis Stimme klang jetzt unternehmungslustig: Meens de werklesch, Hilla, esch sull dä Kääl hierode? Ihr Gesicht nahm allmählich wieder seine gewohnten Farben und Formen an.
Trudi, sagte ich, kannst du dir ein Leben mit dem Kääl, dem Heinz, denn vorstellen?
Met däm so joot wie met nem andere. Dä Papp schläät mesch duut, wenn dä dat hürt.
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