Das verborgene Wort
Vorabend überlegt. Es verfehlte seine Wirkung nicht. Der Ältere nahm Haltung an. Hier ging es nicht um Kinderkram.
Walter Holl, stellte sich der Ältere vor und gab mir die Hand.
Hilla Palm.
Heinz, der Fischbrötchenspender, zog seine Hand aus der meinen, als habe er in Disteln gegriffen, und drängte mich beiseite, um auf seinem Moped zu entwischen. Ein paar schnelle, kurze Tritte meiner eisenbeschlagenen Schuhspitze gegen den Kotflügel brachten ihn davon ab.
Also los, suchte der Ältere die Situation augenzwinkernd zu entspannen. Wo soll et denn hinjehen, meine Damen?
Nach Rheinheim, sagte ich, ohne Trudi zu Worte kommen zu lassen. Erst mal nach Rheinheim. Ich sag dann, wie es weitergeht.
Na jut, sagte Walter, bis zwei Uhr hab isch Zeit. Dann spielt Straubersch jejen Hölldorf.
Er nickte mir zu, ich stieg auf.
Trudi kennt den Weg, sagte ich. Und Ihr Bruder auch.
Bis zur Heirat, der Sühne, war Heinz ein Verbrecher. Verbrecher lockt man an den Ort ihrer Untat und treibt sie dort in den seelischen Zusammenbruch.
Die Mopeds parkten wir beim >Vater Rhein<. Trudi und ich quälten uns auf Zehenspitzen durch den Kies. Nach ein paar Metern blieb sie stehen und brach in Schluchzen aus. Heinz stierte in den Sand. Walter blickte zwischen Trudi und mir hin und her.
Ich legte den Arm um Trudi: Hier also ist es passiert? fragte ich.
Trudi nickte, schniefte. In meiner Fußspitze zuckte es.
Wat soll hier passiert sein? fragte Walter.
Heinz machte eine Bewegung, als wollte er fliehen. Das kannte ich aus meinen Büchern, fliehen wollen sie immer. Wie damals traf meine Fußspitze zuerst aufs Schienbein, aufs Harte, der helle Hacklaut erfreute mein Herz. Ich holte aus für den zweiten, ein Stück höher, ins Weiche, da riß der Bruder den Jüngeren zurück, packte ihn beim Kragen und schüttelte ihn fast aus seinem braunbeige karierten Sakko: Wat is he passiert, wat häs du jedonn? Esch han desch schon einmal jewarnt.
Esch, esch, winselte der Hölldörper und versuchte, sich loszureißen. Der Ältere packte ihn bei den Armen und drehte sie ihm auf den Rücken.
Wat ist hier passiert, wiederholte Walter, gefaßter.
Der Jüngere schwieg verstockt. Trudi kriegte vor Schluchzen kein Wort heraus. Das war der Augenblick für den Kommissar.
Hier, erklärte ich in meinem besten Hochdeutsch, hätte am liebsten Englisch gesprochen, wenigstens ein >well< oder >dare- say< einfließen lassen mögen wie meine großen Vorbilder, doch dazu war die Lage zu ernst, zu wirklich, hier ist Ihr Bruder über Trudi Kluthe hergefallen. Vorher hat er sie betrunken gemacht im Vater Rhein<. Mit Escorial grün. Und jetzt - ich machte eine Pause und nahm zwei Züge aus Sherlock Holmes Meerschaumpfeife -, Und jetzt kriegt Fräulein Kluthe ein Kind. Von Ihrem Herrn Bruder.
Trudi und die Brüder sahen mich an wie Moses den flammenden Dornbusch. Keiner sprach ein Wort. Nur die Wellen schlugen ihre Silben ans Ufer, gleichmütig, gleichmäßig schrieben sie ihre endlosen Zeilen bis in den Ozean.
Das Getöse eines Motorbootes, wie sie seit kurzem an Sonntagen immer häufiger auf dem Rhein zu sehen, vor allem aber zu hören waren, löste Walter aus seinem angespannten Schweigen.
Es dat wohr, schrie er und zog dem Bruder die Arme nachoben, daß der sich im Schmerz zusammenkrümmte. Um der Wahrheit zu ihrem Recht zu verhelfen, ging es auch in den Büchern nicht immer vornehm zu.
Jo, jo, stotterte der, keuchend, die Augen traten ihm aus dem Kopf. Ävver met däm Kenk, dat han esch nit jewoß.
So, dat häs de nit jewoß! Walter rüttelte an den Armen des Bruders, daß der aufheulte und ein paar Spaziergänger auf der Böschung stehenblieben. Esch han dir of jenuch jesäät, dat nümp met dir e schläät Ang [71] !
Genug, schritt ich ein. Sie können Ihren Griff lockern. Aber nicht loslassen. Wir sollten jetzt beratschlagen, was zu tun ist. Ich klopfte meine Pfeife auf dem Absatz aus.
Heiraten muß er sie! Etwas anderes kommt jar nischt in Frage! Jedes Wort Walters in eine richterliche Robe gekleidet.
Der Jüngere stöhnte, ohne daß der Bruder ihm die Arme verdreht hätte.
Ich war sprachlos. Las Walter die gleichen Bücher wie ich? Warum nur hatte Gretchens Bruder Valentin nicht mit Faust unter vier Augen geredet, anstatt blindwütig mit dem Degen drein- zuschlagen? Wie Walter und ich dieses Kapitel im Leben von Heinz und Trudi gemeinsam zu Ende schrieben, gefiel mir weitaus besser.
Du gehst heute noch zu Trudis Vater. Walter versetzte dem Bruder
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