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Das verborgene Wort

Das verborgene Wort

Titel: Das verborgene Wort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Hahn
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einen derben Stoß auf beide Schultern und ließ ihn los. Knöcheltief steckte der Hölldörper im Sand. Mit schiefgelegtem Kopf schielte er zu Trudi hinüber, die in ihrer fliederfarbenen Unbeholfenheit aussah, als ginge sie alles nichts an.
    Trudi, Walter streckte die Hand nach ihr aus, schlag ein. Es liegt jetzt an dir.
    Trudi ließ den Weidenzweig fahren, von dem sie ein Blatt nach dem anderen abgeknipst hatte, als könnte der alte Strauch ihr verraten - er liebt mich, von Herzen, mit Schmerzen, ein wenig, gar nicht -, wofür sie sich entscheiden solle, und schaute uns ausdruckslos an. Ihre Hände, weich, weiß, dick, hingen aus den Kostümärmeln an den Seiten herunter wie zwei plumpe Kinderfäustlinge.
    Trudi, drängte ich, denk an deinen Vater. Das letzte Wort fuhr in Trudi wie Strom in einen toten Frosch, schnurgerade schoß ihre Rechte auf Walters Hand und schlug ein.
    Abgemacht, sagte Walter, ohne Trudis Hand loszulassen, und jetzt du. Er ergriff die Hand des Bruders und legte sie auf Trudis, ich legte meine dazu, Walter seine obenauf.
    Abgemacht.
    Ich war zufrieden. Der Missetäter hinter Schloß und Riegel. Walter sah erschöpft aus. Heinz hielt noch immer Trudis Hand. Trudi schaute auf ihre Füße, die ebenso tief in den Sand gesunken waren wie die ihres Verlobten in spe.
    Und jetzt stoßen wir darauf erst einmal an. Walter ließ Trudi und Heinz, Hand in Hand, an sich vorbeistapfen, wir folgten ihnen wie Eltern ihren Sprößlingen.
    Im Vater Rhein< räumten gerade die letzten Frühschöppler die Stühle, kamen sehr aufrecht steifen, gleichwohl schlingernden Schritts aus der Tür.
    Schweinekääls, schimpfte die Wirtin, nix em Kopp als suffe und Wiewer. Dabei kumme se direck us dä Kersch. Wat darf es sein, die Herrschaften?
    Mit einem nassen Lappen wischte sie die Bierränder vom Tisch, ihre Hand sah verbraucht aus, trotz der tomatenroten Fingernägel, von denen der Lack an den Rändern blätterte, als fehlte den Nägeln die Kraft, die Farbe zu halten. Was es sein dürfe, wiederholte sie ihre Frage, wie ein Kontrolleur, der im Fahrgast einen Schwarzfahrer vermutet.
    Sekt, antwortete Walter, ohne uns zu fragen. Eine Flasche und vier Gläser.
    Ob es auch vier Pikkolo sein dürften, gab die Frau mürrisch zurück. Ganze Flaschen würden so selten verlangt. Nur bei Verlobungen, Hochzeiten und Taufen. Sie hätten keine kalt gestellt.
    Es dürften vier Pikkolo sein, aber zum Preis einer Flasche Hausmarke, und keinen Pfennig mehr. Walter sah mich beifallheischend an. Heinz flüsterte Trudi etwas ins Ohr. Sie kicherte, ihr Schneemanngesicht färbte sich rosa.
    Anita, wo bliews de, de Zupp wütt kalt, schallte eine Männerstimme hinter dem braunen Velourvorhang, über dem ein Schild >Toiletten< hing.
    Kundschaft! kreischte die Wirtin zurück.
    Sie gestatten? Walter zog ein Zigarettenetui aus der Tasche und sah mich an.
    So etwas hatte ich bisher nur in Büchern erlebt. Undenkbar, der Vater oder ein Onkel würde eine derartige Frage stellen. Nicht einmal der vornehme, kleine Dr. Siegfried Wadepohl war so weit gegangen.
    Selbstverständlich gern, erwiderte ich mit einem Lächeln, würdig einer Anna Karenina.
    Er bot mir eine Zigarette an. Ich verneinte graziös.
    Die Pikkolos kamen. Walter schraubte meine, Heinz Trudis Flasche auf. Walter ging zur Musikbox, >Wir wollen niemals auseinandergehe, ließ er eine Frau in langgezogenen Tönen schwören, gar nicht mehr loslassen wollte sie jeden einzelnen Ton, >wir wollen immer zueinanderstehn<, kleine Rauchfahnen stiegen aus den vier Flaschen, die Männer gössen ein, >mag auf der großen Welt auch noch so viel geschehn<, Trudis rosiges Gesicht leuchtete von innen wie die Stehlampe der Frau Bürgermeister, Alabaster heiße das milchweiße Gestein, hatte sie mir erklärt, >wir wollen niemals auseinandergehe. Heinz trank sein Glas in einem Zug, rülpste und goß nach. Sein Bruder schaute ihn mißbilligend an und blies ein paar vollendete Ringe in den Raum.
    Auf das junge Paar. Walter erhob sein Glas.
    Wir stießen an, es klang mulmig und dumpf. Das Getränk stellte mich auf die Zehenspitzen, spritzig flirrten mir seine Perlen durchs Blut, lauter kleine Ballons, die mich höher, immer höher trugen, bis Trudi und Heinz zu zwei Püppchen zusammenschnurrten, putzig in ihre Umgebung gebettet, zwei Kiesel am Weg, Kätzchen im Korb, Apfel am Baum.
    >Ich bin ja nur ein Troubadours sang eine Männerstimme, die Heinz ausgewählt hatte, >und ziehe singend durch das Land, ich bin ja

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