Das verbotene Eden 01 - David & Juna
spürte, wie der Dolch in ihrer Hand schwer wurde. Sie musste ihn sinken lassen.
Arkana stieß einen Seufzer aus. »Danke«, sagte sie. »Endlich kann ich dir die Wahrheit sagen. Du weißt nicht, was mir das bedeutet.«
»Die Wahrheit?«
Arkana nickte. »Die Tatsache, dass das Virus an Kraft verloren hat. Dass wir schon bald wieder frei sein können. Ungebunden, so wie es in unserer Bestimmung liegt. An der Seite der Männer.« Sie ergriff die Hand des Fremden und drückte sie. »Claudius und ich leben schon seit vielen Jahren im Verborgenen zusammen, hier in meinen privaten Gemächern.« Sie breitete die Arme aus. »Fünf Räume, 150 Quadratmeter. Und doch ist es die ganze Welt für uns. Niemand außer Zoe weiß etwas von seiner Existenz. Er ist ein Gefangener von eigener Hand. Er hat sich dieses Schicksal freiwillig ausgesucht.«
»Ich wollte nicht mehr so leben, wie es von uns verlangt wurde«, sagte der Mann. Er hatte eine tiefe, angenehme Stimme. »Ich konnte es nicht. Alles, was man uns erzählt hatte, woran ich geglaubt hatte … war falsch. Ich war einst ein Mitglied der Heiligen Lanze.« Er ließ sich auf einen Stuhl gleiten und deutete mit der Hand auf den Sessel. Arkana setzte sich neben ihn. Juna blieb eine Weile stehen, überlegte es sich dann jedoch anders.
»Meine Aufgabe war es, die Landernte einzufahren und die Grenzregionen im Zaum zu halten. Furcht war unsere Waffe. Wer sich aufsässig zeigte, bekam die Macht unserer Waffen zu spüren. Dies, so sagte man uns, sei notwendig, um den Frieden aufrechtzuerhalten. Und ich war nicht allein. Mein bester Freund war stets an meiner Seite. Er war kühner, mutiger und ehrgeiziger als ich. Er wollte unseren Meister, den früheren Inquisitor Gabriel Varinius, beeindrucken und trieb die Landernten mit unmenschlicher Härte voran. Er übertrat Gesetze, beugte das Recht und verwischte seine Spuren. Nie konnte man uns etwas nachweisen, denn wir hatten die Masken eingeführt, um unerkannt zu bleiben. Die Frauen lebten in Angst und Schrecken vor uns. Eines Tages trafen wir auf eine Ortschaft, in der die Luft nach Widerstand roch. Die damalige Hohepriesterin Silvana hatte von unserem Plan erfahren und war zusammen mit einigen Brigantinnen – unter ihnen meine geliebte Arkana – angereist. Ihr Ziel war es, den Konflikt friedlich beizulegen. Sie wusste von der immer schwieriger werdenden Situation in den Städten und bot uns an, die Lebensmittelrationen zu erhöhen. Jeder normal denkende Mensch hätte eingewilligt, schließlich war doch unser oberstes Ziel, mit den Frauen in Frieden zu leben. Nicht jedoch mein Freund. Er wertete das Angebot als Schwäche und provozierte einen Kampf. Die Situation geriet außer Kontrolle. Er ließ das Dorf niederbrennen, schlug die Brigantinnen in die Flucht und nahm Silvana als Geisel. Viele von uns wurden getötet, ich selbst geriet in Gefangenschaft. Mir war klar, dass man mich nicht am Leben lassen würde, und ich befahl mich in Gottes Hände. Doch der Allmächtige hatte andere Pläne mit mir.« Er drückte Arkanas Hand. »Wir verliebten uns ineinander. Es traf uns wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Einige nette Worte, ein paar tiefe Blicke, eine erste Berührung – es war wie ein Wunder. Als deutlich wurde, dass man Silvana nicht freilassen würde und dass ich auf dem Scheiterhaufen enden würde, befreite mich Arkana. Sie stellte mich vor die Wahl, zurückzukehren oder bei ihr zu bleiben. Im Verborgenen und in einem Zustand, der dem Dasein eines Gefangenen sehr nahekommt. Ich entschied mich für Letzteres, und ich habe es nie bereut.« Er seufzte. »Hätte ich jedoch gewusst, welche Folgen meine Entscheidung hatte, dann hätte ich es mir vielleicht noch einmal überlegt.«
Juna beugte sich vor. Die Worte dieses Mannes waren von einer unwiderstehlichen Kraft. Ob sie es wollte oder nicht, sie musste seiner Geschichte weiter zuhören.
»Mein Freund nahm meinen Verlust zum Anlass, noch schlimmer zu wüten. Er durchkämmte die gesamte Gegend auf der Suche nach mir. Er plünderte und brandschatzte, schließlich ließ er Silvana hinrichten. Auf einem seiner letzten Feldzüge geriet er in einen Hinterhalt. Seine Männer wurden getötet, er selbst wurde in ein Haus gesperrt, das man in Brand steckte. Niemand hatte damit gerechnet, dass er das überleben könnte, und so zog man ab. Doch wie durch ein Wunder war er noch am Leben, als ich am Schauplatz des Geschehens eintraf. Das Haus brannte lichterloh. Ich hörte seine Schreie.
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