Das verbotene Eden 01 - David & Juna
ansehen, wie meine Tochter geschändet und dann getötet wurde. Es waren Bilder, die sich in mein Gedächtnis gebrannt haben. Damals habe ich erkannt, dass die Männer durch und durch böse sind. Sie haben es nicht verdient zu leben.« Sie hob ihr Kinn. »Und jetzt genug geredet. Tretet zurück, oder wir werden uns die Gefangenen mit Gewalt holen.«
Mordra zog am Zügel. Sie schien mit sich zu ringen, ob es nicht tatsächlich das Beste wäre, den aufgebrachten Frauen die Gefangenen auszuliefern. Wütende Stimmen erhoben sich, erste Steine wurden geworfen. Die Situation stand auf Messers Schneide.
Juna hatte genug. Mit klarer, heller Stimme drängte sie nach vorne. »Volk von Glânmor, hört mich an! Ihr alle kennt mich, ich bin die Tochter unserer Hohepriesterin Arkana.«
Bewunderndes Gemurmel erklang.
»Ich war dabei, als Alcmona überfallen wurde, und ich habe geholfen, die Stadt gegen den Angriff der motorisierten Horden zu verteidigen. Ich habe nie einen Hehl daraus gemacht, dass ich die Gemeinschaft der Männer für heruntergekommen und ihren Anführer, den Inquisitor, für den Teufel in Menschengestalt halte. Doch das hier geht zu weit.« Sie deutete auf die beiden Männer. »Die Gefangenen werden verhört, und sie werden ihre Strafe erhalten, aber so, wie das Gesetz es fordert. Nicht aus Rache, sondern aus dem Wunsch nach Frieden und Gerechtigkeit. Ihr wisst, dass ich auf eurer Seite stehe, doch wenn ihr euch die Männer mit Gewalt holen wollt, macht ihr mich zu eurem Feind. Jede von uns Brigantinnen hat einen Eid geschworen, den Befehlen des Hohen Rates zu folgen. Und bei allem, was uns heilig ist, das werden wir tun.«
Die wütenden Rufe wurden leiser, irgendwann verstummten sie ganz. Auch wenn sich Juna selbst nicht für eine große Rednerin hielt, ihre Worte schienen Eindruck gemacht zu haben. Einige der Frauen schüttelten die Köpfe und schickten sich an, nach Hause zu gehen. Doch noch hatte Edana nicht aufgegeben.
»Bleibt stehen«, rief sie. »So lassen wir uns nicht abspeisen.« An Juna gerichtet fuhr sie fort: »Das sind tapfere Worte, junge Kriegerin. Aber können wir sicher sein, dass die Befragungen wirklich stattfinden? Wir wissen, wie sanftmütig und nachgiebig deine Mutter gegenüber unseren Feinden ist. Sie predigt Mitgefühl und Nachsicht und rührt uns Honig in den Wein mit ihrem Geschwätz von der gottgegebenen Verbindung zwischen Mann und Frau. Ich würde gerne wissen, wie du als ihre Tochter darüber denkst.«
Aller Augen richteten sich auf Juna.
Sie hob ihr Kinn. »Die Ansichten meiner Mutter stehen hier nicht zur Debatte«, sagte sie. »Meine Loyalität gilt nicht dem Priesteramt, sondern dem Hohen Rat. Seine Entscheidungen sind für mich maßgeblich, selbst wenn ich dabei gegen die Interessen meiner Mutter handeln sollte. Die Befragungen werden stattfinden, und zwar mit aller gebührenden Härte. Darauf gebe ich euch mein Wort. Doch wenn ihr uns weiter den Weg versperrt, kann ich für nichts garantieren. Ich fordere euch zum letzten Mal auf: Lasst uns unseren Auftrag zu Ende führen und behindert uns nicht länger.«
Eine Weile herrschte Schweigen, dann nickte Edana.
»Ihr seid eine Frau von Ehre, Juna, und ich vertraue Euch. Es gibt nicht viele, zu denen ich das gesagt hätte, also missbraucht mein Vertrauen nicht. Wir erwarten dann Euren Bericht.« An die anderen gewandt, rief sie: »Kehrt in eure Häuser zurück. Es gibt hier nichts mehr zu tun.«
Die Menge löste sich auf und zerstreute sich in alle Winde. Die Enttäuschung stand vielen Frauen ins Gesicht geschrieben. Offenbar hatten sie mit einem anderen Ausgang gerechnet.
»Danke«, kam eine Stimme von hinten. Es war David. »Danke, dass du uns das Leben gerettet hast.«
»Das Leben gerettet?« Juna schüttelte den Kopf. »Ich habe es bestenfalls um ein paar Stunden verlängert.«
Und meinen eigenen Hals mit in die Schlinge gesteckt,
dachte sie.
*
Die Gefängniszellen waren nicht viel mehr als zwei Käfige, die am Rande des Sees auf hölzernen Stegen über dem Wasser ruhten. Sie waren nach allen Seiten hin offen und wurden nur von einem kleinen hölzernen Dach geschützt. Es gab keine Seitenwände, kein Bett und keine sanitären Einrichtungen. Seine Notdurft musste man, über einem Loch hockend, in den See verrichten, und wenn Wind wehte, war man völlig ungeschützt. Der einzige Ein- und Ausgang führte vom Ufer aus über eine schmale hölzerne Rampe, die direkt bis an die Käfigtür reichte.
David
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