Das verbotene Eden 01 - David & Juna
Juna. »Nutzen wir die Situation und verschwinden von hier. Wie geht es deiner Schulter?«
Er prüfte vorsichtig die Beweglichkeit und tatsächlich: Es tat zwar immer noch höllisch weh, aber wenigstens ließ sich die Schulter wieder bewegen. Er reckte den Daumen nach oben.
Zufrieden mit der Antwort kroch Juna zurück zur Bodenluke.
»Komm schon, beeil dich.« Geschmeidig wie ein Fisch glitt sie ins Wasser. David kroch an den Rand der Luke und blickte hinunter. Der See war schwarz wie die Seele des Inquisitors.
»Komm runter, aber leise.«
David ließ die Füße über die Kante baumeln, stützte sich mit den Ellbogen ab und ließ sich hinuntergleiten. Juna half ihm ins eisige Wasser. Der Schock presste ihm die Lunge zusammen. Er schnappte nach Luft und ruderte mit den Armen. Nach einer Weile ging es besser.
»Los, weiter«, flüsterte Juna. »Wir müssen das andere Ufer erreichen, ehe uns jemand sieht.«
»Was ist mit Sven? Den müssen wir doch auch befreien.«
Juna schüttelte den Kopf. »Er schläft wie ein Murmeltier. Keine Chance, ihn wach zu bekommen. Ich hab schon alles versucht.«
»Dann lass es uns noch einmal versuchen.«
»Und damit alles aufs Spiel setzen? Viel zu riskant. Zuerst muss ich dich in Sicherheit bringen. Ich komme später noch einmal zurück und hole ihn.«
David konnte hören, dass es eine Lüge war, aber in diesem Moment hatte er nicht die Kraft, dagegenzuhalten. Jetzt ging es erst mal ums eigene Leben. Er spürte, dass er einen weiteren Tag bei den Erinnyen nicht überleben würde.
Er biss die Zähne zusammen und folgte Juna durch das schwarzglänzende Wasser. Neben ihnen ragte bedrohlich der Tempel auf; im obersten Stock leuchtete ein einsames Licht.
33
A rkana blickte auf den See hinaus. Ein leichter Wind wehte zum Fenster herein und fuhr ihr durch die Haare. Der Mond überzog das Land mit blauschwarzem Licht. Die ganze Welt schien zu schlafen. Nur hier und da flackerten kleine Feuer hinter den Fenstern. Vereinzelt sah man Schafe auf den Weiden, während sich die Kühe in die Unterstände zurückgezogen hatten. Wie friedlich Glânmor bei Nacht aussah! Dabei waren gerade in diesem Moment Kräfte am Werk, die die Einheit ihrer Gemeinschaft auf immer zerstören konnten. Gerüchte von Junas Verhaftung waren bis zu ihr gedrungen und hatten sie tief beunruhigt. Ihr erster Gedanke war, ihrer Tochter zu Hilfe zu kommen und ihre Macht einzusetzen, um den Arrest rückgängig zu machen, doch im selben Augenblick wurde ihr klar, dass sie das auf keinen Fall tun durfte. Edana wartete vermutlich nur darauf, dass sie diesen Fehler beging. Als Priesterin war sie dem ganzen Volk verpflichtet, nicht nur einer einzigen Seele, mochte dies auch ihre eigene Tochter sein. Sie musste warten, wie der Hohe Rat entschied. Aber wenn sie Edanas Befehl schon nicht aufheben konnte, so konnte sie wenigstens versuchen, den Vorgang zu beschleunigen. Ihre Finger umklammerten das Fensterbrett. Sie kam sich so machtlos vor.
Ihr Blick wanderte über die schlafende Stadt. Laut Zeugenaussagen hatte Juna für einen Gefangenen Partei ergriffen. Warum hatte sie das getan? Arkana kannte ihre Tochter gut genug, um zu wissen, dass sie felsenfest hinter den Plänen des Rates stand. Noch vor kurzem hatte sie sich für Krieg ausgesprochen, und jetzt sollte sie sich für ein paar Männer einsetzen, deren Leben ohnehin verwirkt war? Das klang nicht logisch. Was hatte sie bewogen, das zu tun?
Noch ehe sie den Gedanken zu Ende denken konnte, hörte sie nebenan ein Geräusch. Zuerst ein Rascheln, dann Schritte. Ein Schatten erschien in der Tür. »Was ist mit dir, Arkana? Kommst du nicht wieder zurück ins Bett?« Die Stimme klang schläfrig.
Sie wandte den Kopf zur Seite. »Mach dir um mich keine Gedanken«, sagte sie. »Ich musste nur kurz frische Luft schnappen. Ich bin gleich wieder da.«
Der Schatten verschwand.
Einen kurzen Moment lang schaute sie in die mondhelle Nacht hinaus, dann drehte sie sich um und ging zurück in ihr Schlafgemach.
*
David war völlig ausgekühlt. Er kroch das gegenüberliegende Ufer hoch und schlang die Arme um seinen Leib.
»Keine Zeit, sitzen zu bleiben«, sagte Juna. »Wir müssen den Wall überqueren, solange der Mond noch so niedrig steht. In etwa einer halben Stunde kommen die neuen Wachen.«
David nickte. »Gut. Lauf voran, ich folge dir.« Er versuchte, das Klappern seiner Zähne zu unterdrücken.
Juna prüfte kurz den Sitz ihrer Waffen, dann drehte sie sich um und verschwand im
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