Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
keinen Film anschauen. Nur mal so durchs Programm zappen und sehen, ob etwas Interessantes lief. Irgendein Dünnbrettbohrerprogramm, so richtig schön ohne Anspruch. Dazu eine Flasche Reissdorf und ein paar Erdnüsse. Vielleicht schaffte er es ja nebenher, ein paar von seinen alten Langspielplatten zu digitalisieren. Ben gehörte zu den wenigen, die immer noch darauf schworen, dass der Sound einer Zwölf-Zoll-Langspielplatte den einer CD oder MP3-Datei um Längen schlug. Wichtig war natürlich, dass sie gut gepflegt wurde und nicht knackste. Das bedeutete, niemals mit den Fingern drauftappen und bloß nicht mit Nassreinigersystemen anfangen. Das mochte am Anfang beeindruckend klingen, später bekam man die kleinen Kristalle nie wieder aus den Rillen heraus. Das Equipment, um den analog erzeugten Ton digital umzuwandeln, hatte er sich von einem Kumpel geliehen, der es ihm auch angeschlossen hatte.
Was Technik betraf, war Ben ein echter Noob. Als sein Kassetten-Walkman vor einigen Monaten seinen Geist aufgegeben hatte, musste er sich notgedrungen und zähneknirschend einen MP3-Player kaufen. Black Sabbath, Rainbow, Dio, Fleetwood Mac, Thin Lizzy, Lou Reed, die Ramones, der frühe David Bowie und natürlich die Pogues. Das Konvertieren würde viel Arbeit machen, aber wenigstens konnte er dann seine Lieblingsscheiben auch mal bei Freunden über die Anlage laufen lassen.
Während er den Fernseher anschaltete, spitzte Ben die Ohren. Von nebenan drang das Klappern der Tastatur. Magda war schon eifrig dabei, zu socializen. Sie führte einen Blog, in dem sie über alles plauderte, was ihr so durch den Kopf ging, und der inzwischen weit über tausend Abonnenten besaß. Ein Heer von Lesern folgte ihr, wenn sie über Bücher, Filme, Mode oder Beauty schwadronierte, und holte sich Tipps und Lebensberatung. Seit neuestem besaß Magda sogar einen kleinen Camcorder, mit dem sie Videos von sich aufnahm. Vloggen nannte sich das in der Fachsprache und war in der Szene total angesagt. Ben hatte keine Ahnung, wie man ohne Punkt und Komma fünfzehn Minuten reden konnte, aber Magda gelang das problemlos. Es war witzig, originell und besaß einen hohen Unterhaltungswert.
Er ließ sich in seinen Lieblingssessel fallen, führte die Flasche an seinen Mund und nahm einen Schluck. Im Fernsehen redeten sie schon wieder über Grippe. Och nö, dachte er und griff entnervt nach der Steuerung. Das Thema war doch durch, wieso fingen die jetzt schon wieder damit an? Wie es aussah, war diesmal der Impfstoff in den Fokus gerückt. Lustlos schaltete er das Gerät lauter.
»… haben es hier mit einem Skandal zu tun, dessen Auswirkungen noch gar nicht absehbar sind«, sagte ein Mann mittleren Alters, der von der Moderatorin des Heute-Journals interviewt wurde. Er schien einer Kommission anzugehören, deren Aufgabe es war, die Vorfälle in Prag aufzuklären.
»Es ist mittlerweile unbestreitbar, dass das Reaper-Virus, wie es unsere amerikanischen Kollegen so nett getauft haben, tatsächlich identisch mit dem in Rotterdam entwickelten Krankheitserreger ist und dass dieses Virus – und jetzt bitte ich Sie, sich das einmal vorzustellen –, dass dieses Virus von einem Pharmakonzern in Auftrag gegeben wurde. Es wurde designt und produziert, und zwar zu einem einzigen Zweck: um den Markt für ein spezielles Mittel zu öffnen.«
»Herr Dr. Martinez, bedeutet das, wir haben es mit einer neuen Dimension von Wirtschaftskriminalität zu tun?«
»In der Tat. Uns liegen Unterlagen vor, die klipp und klar bestätigen, dass das Virus von der Firma Lind & Bruckner in Auftrag gegeben wurde und dass es über höchst dubiose Kanäle nach Tschechien gelangt ist.« Er legte seine Hand auf einige Papiere, die allesamt einen höchst amtlichen Eindruck machten. »Unsere Kommission ist zu dem Urteil gelangt, dass die Firma in dunkle Machenschaften verwickelt und für den Tod vieler hundert Menschen verantwortlich ist. Sie hat das Virus entwickelt, um ihr neues Mittel in Umlauf zu bringen und ihm zu einem guten Verkaufsstart zu verhelfen. Dabei haben die Verantwortlichen offensichtlich unterschätzt, welche Aggressivität dieser Erreger an den Tag legt und mit welcher Heftigkeit der Ausbruch der Krankheit erfolgte. Da die Produktion des Serums jedoch schon weit fortgeschritten war, konnte es binnen weniger Tage in schier unbegrenztem Umfang hergestellt werden – was ein großes Glück war. Wir hätten es sonst mit einer Pandemie vom Ausmaß der Hongkong-Grippe 1968
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