Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
werden.
Wie viele Tage war es jetzt her, dass Cedric ihn vom Pferd geschossen hatte? Zehn? Zwanzig? Er wusste es nicht. Nach den endlosen und qualvollen Nächten voller Fieberträume war ihm jegliche Orientierung abhandengekommen. Nicht nur räumlich, vor allem zeitlich. Hier gab es kein Fenster und kein Luftloch. Nicht mal einen Schacht, durch den ein Strahl Tageslicht nach unten dringen konnte. Immerwährende Nacht umschloss ihn, notdürftig erhellt von einigen kränklich glimmenden Fackeln. Auch gab es niemanden, mit dem er sich hätte unterhalten können. Die benachbarten Zellen standen allesamt leer. Er war hier so weit entfernt von allem, dass er genauso gut auf einem fernen Planeten sein konnte. Dieser Ort diente nur einem einzigen Zweck: einsam zu sterben.
Doch seine Entführer hielten ihn am Leben.
Sie gaben ihm zu essen und zu trinken, sie ließen die Türen und Schließmechanismen kontrollieren, und hin und wieder kam sogar ein Doktor vorbei, um nach seiner Verletzung zu sehen. Mehr als in der Wunde herumzustochern und ihm eine stinkende Salbe draufzuschmieren, brachte dieser Quacksalber zwar nicht zustande, aber immerhin. Die Wunde schien trotz dieser Rosskur tatsächlich zu verheilen.
Logan litt hin und wieder immer noch unter Fieberschüben. Die bitteren Blätter, die der Medicus ihm verabreichte, senkten die Temperatur zwar ein wenig, aber dafür hatte er danach Magenkrämpfe. Sein rechter Arm fühlte sich merkwürdig an, ganz kalt und taub. Logan konnte ihn kaum mehr als ein paar Zentimeter heben, und es fiel ihm schwer, die Hand zu bewegen. Ein bisschen die Finger spreizen, das ging gerade noch, aber schon wenn er versuchte, eine Faust zu bilden, schoss glühendes Metall seinen Arm hinauf. Dabei gab es wirklich ein paar Leute, denen er liebend gern seine Rechte ins Gesicht gehämmert hätte. Allen voran Cedric, diesem Verräter und Vatermörder. Was gäbe er darum, die feige Schlange in die Finger zu bekommen. Tatsache war allerdings, dass Cedric sich seit seiner Einkerkerung nicht hatte blicken lassen. Vermutlich wartete er ab, bis Logan so geschwächt war, dass er gefahrlos näher kommen konnte. Irgendwann würde er die Treppen hinuntersteigen und nach seinem Lieblingsgefangenen sehen.
Aber Logan hatte vor, ihm einen Strich durch die Rechnung zu machen. Er hatte eine Schwachstelle entdeckt. Das immerfort heruntertropfende Wasser war zwar eine Qual, aber es hatte den Mörtel zwischen den buckeligen Bodenplatten stellenweise weich werden lassen. Am weichsten war er dort, wo die Steinquader ein Loch einfassten. Eine kreisrunde, stinkende Öffnung im Boden, unter der beständig Wasser hindurchrauschte und wo die Gefangenen ihre Notdurft verrichteten. Logan hatte die Öffnung trotz großen Widerwillens gewissenhaft inspiziert und war zu der Erkenntnis gelangt, dass sie selbst zwar zu klein war, um hindurchzukriechen, der Kanal darunter aber durchaus einen einzelnen Mann aufnehmen konnte. Zumal sich die umliegenden Steine durch den weichen Mörtel gelockert hatten. Wenn es überhaupt eine Möglichkeit zur Flucht gab, dann hier.
Logan sah sich um. Keine Wache in Sicht. Er kramte in seiner Tasche und holte den Löffel wieder heraus. Das Metall war nicht besonders stabil, aber für den Mörtel reichte es aus. In den zurückliegenden Tagen war es ihm gelungen, einen der Steine komplett freizulegen und den zweiten daneben zu lockern. Allerdings waren die Steine so passgenau verfugt, dass sie nicht ohne erheblichen Kraftaufwand herauszuheben waren. Es gehörte einiges an Geschicklichkeit dazu, sie aus ihrer Verankerung zu lösen. Logans Plan war, die Steine so zu präparieren, dass er sie zu einem bestimmten Zeitpunkt alle auf einen Schlag entfernen und durch die Kanalisation in die Freiheit entschwinden konnte. Er würde dafür drei oder vier Tage benötigen, aber wenn nichts Unvorhergesehenes dazwischenkam, hatte er eine reelle Chance. Die Aussicht, Gwen wiederzusehen, verlieh ihm Kraft und Ausdauer.
Er lächelte in der Dunkelheit.
Wann immer er die Augen schloss und sich ihr Gesicht ins Gedächtnis rief, wurde sein Herz von Wärme erfüllt. Sie begleitete ihn bei allem, was er tat und dachte. Er konnte ihr Lachen hören, ihr Reden, er konnte hören, wie sie sang, fluchte oder nur einfach still vor sich hin murmelte. Wann immer er es zuließ, war sie bei ihm. Dann erfüllte ihn eine Sehnsucht, die ihn schier zerriss. All sein Denken, Fühlen und Sehnen drängten danach, sie wiederzusehen, sie in die
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