Das verbotene Eden: Magda und Ben: Roman (German Edition)
dass er uns zu unüberlegten Handlungen verleiten will. Das Vergnügen werden wir ihm nicht gönnen. Jedenfalls sollten wir nicht den Fehler begehen, ihn zu unterschätzen. Es ist besser, auf das Schlimmste vorbereitet zu sein, als später eine böse Überraschung zu erleben.«
Noreia ließ den Gedanken eine Weile auf sich wirken und neigte dann respektvoll ihren Kopf. »Vermutlich habt Ihr recht. Wie lautet Euer Befehl?«
»Lass weitere Einheiten aufsitzen und die Straßen durchforsten. Lass jeden töten, der uns zu nahe kommt, aber bring mir auch ein paar Gefangene, damit ich sie verhören kann.« Edana blickte auf die Karte. »Ich hasse diese Stadt. Ich hasse es, dass man nicht sieht, was sich hinter der nächsten Ecke verbirgt. Diese Enge schmeckt mir nicht. Nicht zu sehen, was auf einen zukommt, ist schwer zu ertragen. Andererseits bleibt uns keine andere Wahl. Wir müssen den Inquisitor hier schlagen, herauslocken können wir ihn auf keinen Fall. Aber so können wir wenigstens sicher sein, dass sich nicht an anderer Stelle neuer Widerstand formiert. Es ist wie Unkraut jäten. Erst wenn man die Pflanze mit Stumpf und Stiel herausgerissen hat, kann sie nicht wieder nachwachsen. Ich will seinen Kopf auf einer Stange sehen, dann werde ich wieder ruhig schlafen können.«
32
D er Inquisitor war ins Gebet vertieft. Um diese Tageszeit tat er das in der nördlich gelegenen Kreuzkapelle, die er nicht nur des besonderen Lichteinfalls wegen schätzte. Hier befand sich das Gerokreuz, das älteste erhaltene Großkruzifix nördlich der Alpen. Die knapp drei Meter hohe Skulptur aus Eichenholz stammte aus der zweiten Hälfte des zehnten Jahrhunderts und bestach durch ihre klare Form und schlichte Symbolik. Hier war kein Handgriff zu viel, kein Pomp, kein Manierismus, kein überflüssiges Detail. Das Leid von Gottes Sohn in seiner schlichtesten und ergreifendsten Form. So, wie es sein sollte!
Er war völlig in seine Meditation versunken, als er ein leises Räuspern hörte. Er drehte den Kopf und bemerkte den Umriss des Domschweizers, der mit gesenktem Kopf und gefalteten Händen hinter ihm stand und offensichtlich darauf wartete, dass sein Meister das Gebet beendete. Natürlich würde Bruder Sigmund es nie wagen, ihn anzusprechen, aber allein seine Anwesenheit reichte aus, um die kontemplative Stille zu stören. Es war, als würde man einen Stein in einen spiegelglatten Teich werfen, dessen Wellen sich um sein Bewusstsein kräuselten. Entnervt blickte er auf.
»Ja, was ist denn?«
»Verzeiht, Herr. Ein Bote«, sagte der Domschweizer flüsternd.
»Und?«
»Es … es ist wichtig. Glaube ich zumindest.«
»Glaubst du zumindest?« Marcus Capistranus stützte sich auf seinen Bußstab und erhob sich unter Schmerzen.
Bruder Sigmund wich ein Stück zurück. Seine Furcht war begründet. Seiner Unaufmerksamkeit war es geschuldet, dass sich Logan Zugang zur Krypta verschafft und die Gefangene Gwen unter den Augen sämtlicher Kirchendiener befreit hatte. Ein Einzelner hatte es gewagt, bis ins Herz des Glaubens vorzudringen, ein Mädchen zu rauben, das angekettet und eingesperrt auf seine Verurteilung gewartet hatte, nur um dann mit ihr an allen Patrouillen und Straßensperren vorbei zu fliehen. Eine Demütigung, die der Inquisitor nur schwer ertrug. Man hatte ihn verspottet. Nein, schlimmer noch: die Kirche, den Glauben, Gott selbst. Da war es nur wenig tröstlich, dass Cedric diesen Kerl gefangen genommen und in das Höllenloch geworfen hatte, wo er jetzt seiner Hinrichtung entgegensah. Es verschaffte dem Inquisitor zwar ein wenig Genugtuung, doch die Demütigung blieb bestehen. Gwen war fort, und ihr Verlust war wie eine offene Wunde. Seit dem Tag ihrer Begegnung beherrschte dieses Weib Marcus Capistranus’ Gedanken. Wann immer er die Augen schloss, um Ruhe und Entspannung zu finden, war sie da. Daran konnten nicht mal die Gebete und Geißelungen etwas ändern.
»Raus mit der Sprache«, sagte er. »Wer ist dieser Bote? Was will er?«
»Ein Grenzer, Hochwürden. Er hat mir von einem Mann berichtet, der Euch um eine Audienz bittet.«
»Der mich um eine Audienz bittet …?« Capistranus sah den Domschweizer an, als habe dieser nicht mehr alle Tassen im Schrank. »Lasst ihr jetzt jeden dahergelaufenen Tagelöhner zu mir vor, damit er mit mir reden kann? Wieso hörst du dir nicht erst mal an, was er will, ehe du mich damit belästigst?«
»Ich habe mit dem Mann gesprochen, Herr, er wirkt auf mich nicht wie ein Tagelöhner,
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