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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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Narben.»
    Narben aus Zeiten, als sie von grausamen Männermobs attackiertwurden, die ihresgleichen nicht verstanden. In Balkis Beschreibung von Simion hatte Ousep ein Muster erkannt, das ihm vertraut war. Die späteren Beschreibungen der anderen bestätigten dieses Muster. Simion war einer dieser stilvollen Männer in Madras, die gerne Lehrer an Jungenschulen waren. Sie waren sehr streng, fügten Schmerzen zu, verprügelten die Jungen und unterrichteten gerne Fächer, für die man ein Labor brauchte, in dem sie kleinen Jungen hinter geschlossenen Türen begegnen konnten. Und in Madras sind Männer wie Simion an Flucht gewöhnt. Als Ousep im Schwulenuntergrund herumzufragen begann, stellte sich heraus, dass Simion nicht schwer zu finden war. Ein schwuler Angloinder stach in dieser Stadt ins Auge. Simion schrieb auch unter dem Namen Roy Gidney für das Editorial des
Indian Express
und forderte unermüdlich, dass Homosexualität nicht mehr unter Strafe gestellt werden solle. Der Mann hatte sogar eine große Gefolgschaft.
    «Ich wüsste gerne, warum Unni Ihnen das in der Klasse angetan hat», sagt Ousep.
    «Sind Sie deshalb hier?»
    «Ja.»
    «Warum wollen Sie das wissen?»
    «Ich will meinen Sohn besser kennenlernen.»
    «Warum fragen Sie ihn nicht einfach?»
    «Weil er tot ist.»
    Ousep hatte nicht damit gerechnet, dass Simion über die Nachricht so schockiert sein würde. Seine groteske Gelassenheit war dahin, und er hatte alle Kraft verloren. «Wie ist es passiert?», fragte er. Als Ousep es ihm gesagt hatte, wirkte Simion verloren und verwirrt. Er ging auf die Toilette und schloss sich dort über zehn Minuten ein. Als er wieder auftauchte, war seine Nase rot, als hätte er ausgiebig geweint. Er bat Ousep, zu gehen, drängte ihn aber nicht. Er saß mit gefalteten Händen da und brauchte einpaar Minuten, um seine Möglichkeiten abzuwägen. Ousep hatte ihm nicht direkt angedroht, sein Leben zur Hölle zu machen, doch Simion war klug genug, um zu sehen, dass es sinnvoll war, sich kooperativ zu zeigen.
    Simion erhob sich wieder und ging diesmal in ein Zimmer, vermutlich sein Schlafzimmer. Die Tür ließ er offen. Dann kam er mit einem Blatt Papier zurück, das er Ousep überreichte. Es war eine Ganzkörperkarikatur von Simion, ein verunstaltetes Bild, das aber dennoch irgendwie treffend war. Die Zeichnung hatte etwas von Unni, doch seltsamerweise war dies nicht der ganze Unni.
    «Er muss dreizehn gewesen sein, als er das gezeichnet hat», sagt Simion. «Er hat mir die Karikatur auf dem Schulkorridor gegeben. Ich glaube, er hat mich als Lehrer bewundert – ja, doch. Ich bin ein guter Lehrer, ein bisschen streng, aber gut. Ich bin nicht aus den schmutzigen Gründen streng, die Sie sich vorstellen, aber streng bin ich, doch, weil mir am Unterrichten liegt. Und Unni war als Dreizehnjähriger das wunderbarste Wesen, das ich je gesehen hatte. Dieses Gesicht, sein Gesicht werde ich nie vergessen.»
    Simion war so in den jungen Unni verliebt, dass er in seiner Anwesenheit keinen Ton herausbrachte. Er war zu nervös, um auch nur mit ihm zu sprechen. Er dachte, dass er, wenn er mit ihm spräche oder ihn auch nur länger ansähe, auf Abwege geraten würde. Als Unni heranwuchs, sah Simion, dass der Junge nicht schwul war. «Was für ein Jammer, welche Verschwendung. Mit diesem Gesicht, diesem Körper, was für eine Verschwendung. Etwas an ihm, an der Art, wie er sich bewegte, war göttlich.»
    Ousep hatte sich danach gesehnt, dies zu hören, zu erfahren, dass sein Sohn schamlos geliebt worden war, doch die Vorstellung, dass Unni die sexuellen Fantasien eines Mannes erregte,verletzte ihn. «Ich bin kein schlechter Mensch, Mr Chacko. Ich versuche, gut zu sein», sagt Simion. «An jeder Schule, an der ich unterrichtet habe, habe ich versucht, mich zu beherrschen, und besonders an dieser Schule. Aber in so einer Stadt hat es ein Mann wie ich schwer. Sehr schwer.»
    Simion fuhr mit dem Zug zur Schule. Er besaß einen alten, himmelblauen Fiat, nahm aber den Zug, weil er in einem bestimmten Morgenzug in einem bestimmten Zweite-Klasse-Abteil im vorherbestimmten, dichten Gedränge einer speziellen Ecke reisen wollte. Diese Ecke war unter Homosexuellen legendär. In dieser Ecke standen Männer, um die Körper anderer Männer zu spüren, die wie sie waren. Man tauschte Blicke, machte seine Zuneigung deutlich, schmiedete Pläne, alles mit großer Vorsicht, weil eine einzige Fehleinschätzung bedeutete, dass man von entrüsteten Männern

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