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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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Cartoonist?»
    «Das weiß ich nicht», sagt Beta lachend.
    «Ist die Leiche männlich oder weiblich?»
    «Seltsame Frage. Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Aber ich habe die Leiche noch nie gesehen. Deshalb weiß ich es nicht.»
    «Was kann die Leiche mir sagen?»
    «Die Leiche weiß, was Sie wissen möchten.»
    Ousep legt den Hörer auf und geht zur Wohnungstür. Er ist zerstreut, aber bereit zur Konfrontation. «Lassen Sie den Jungen los», sagt Ousep.
    «Wir spielen doch nur», sagt der Pathane. «Stimmt doch, mein Junge?»
    «Ja», sagt der Junge und lacht wie irre, «aber ich will jetzt gehen.»
    «So leicht ist das nicht», sagt der Pathane.
    Als Mariamma auftaucht, sind alle erschrocken. Ousep empfindet leichte Scham. Sie mustert den riesigen Pathanen, als hätte er sein Gesicht am Hinterkopf. «Haudegen», flüstert sie ihm zu. Trotz der gegebenen Umstände weiß Ousep die literarische Schönheit ihrer Metapher zu schätzen. Der Geldverleiher ist genau das: Er lässt seine Opfer durch Zinseszins bluten. «Haudegen», sagt sie und droht ihm diesmal lauthals.
    «Was machen Sie da mit meinem Jungen?», sagt sie. Ihre Stimme bebt, und der Pathane weiß, dass das kein gutes Zeichen ist. Sogar Thoma spürt es. Er blickt nervös auf Mythilis Tür und wirft seiner Mutter einen flehentlichen Blick zu, sich nicht aufzuregen. Er legt einen Finger an die Lippen und sagt: «Pscht.»
    «Lassen Sie den Jungen in Ruhe», sagt sie.
    «Wir spielen doch nur», sagt der Pathane.
    «Haben Sie mich gehört? Ich habe gesagt, Sie sollen den Jungen in Ruhe lassen.»
    «Sie lassen es am nötigen Respekt fehlen, Madam. Frauen sollten so nicht mit Männern sprechen. Ich habe drei Frauen und eine Mutter. Keine von ihnen spricht so mit mir.»
    «Lassen Sie den Jungen los.»
    «Sagen Sie ihrem Mann, er soll mir mein Geld geben, dann gehe ich.»
    «Fragen Sie ihn selber. Drehen Sie ihm die Hand um, nicht meinem Sohn.»
    «Ich dreh jede Hand um, die von meinen Früchten isst.»
    «Ach, tatsächlich?», sagt sie, jetzt keuchend. Und als sie wieder «Ach, tatsächlich» sagt, zittert ihre Stimme wie die einer Opernsängerin. Thoma legt den Finger auf die Lippen und sagt «Pscht».
    «Immer mit der Ruhe, Madam», sagt der Pathane, «wir spielen doch nur.»
    «Dann lassen Sie mich mitspielen», sagt sie.
    «Pscht», sagt Thoma.
    «Lass mich mitspielen, Thoma», sagt sie und spurtet in die Wohnung, direkt in die Küche. Mit einem Besen in der Hand kommt sie zur Wohnungstür zurückgerannt. Sie steht mit erhobenem Besen da, bereit, zuzuschlagen. Ihre Brust hebt und senkt sich, und ihr ganzer Leib schaukelt hin und her, als sei sie in einem Boot. Ousep weiß, dass sie den Pathanen schlagen wird.
    Der Pathane blickt sie voller Angst an, tut aber so, als sei seine Angst Wut. Er hebt langsam die Hand und deutet mit dem Zeigefinger auf sie. Er blickt konzentriert auf ihren Besen, mit dem sie jetzt hin und her wedelt. Er lässt den Jungen los, der die Treppe hinunterrennt – auch wenn er es unten nicht unbedingt besser hat. Der Pathane droht Ousep mit dem Finger: «Wir sehen uns morgen», sagt er und geht weg, wobei er sich ein letztes Mal nach der Frau umdreht, die an der Tür steht. Sie marschiert in die Küche und erzählt den zitronengelben Wänden, was soeben geschehen ist.
    ~
    Das muss Alphas Vater sein. Er hält die Tür auf, als wolle er sie wieder zumachen. «Wir sehen gerade einen Film», sagt er.
    «Alpha hat mich hierhergebeten», sagt Ousep.
    Der Mann erteilt der Fußmatte einen scharfen Verweis. «Wer ist Alpha?»
    «Der Cartoonist. Man hat mir diese Adresse genannt.»
    «Interessiert Sie der Name, den ihm sein doofer Vater gegeben hat?»
    «Ich bitte um Verzeihung», sagt Ousep. «Ich kenne ihn nur als Alpha. Welchen Namen haben Sie ihm gegeben?»
    Der Mann lässt die Tür offen und geht in die Wohnung. Ousep geht hinter ihm her. Die Wohnung ist klein und schummrig und riecht nach Rülpsern. Der Mann klopft an eine Tür und sagt: «Hier ist jemand, der dich sehen möchte.» Dann setzt er sich wieder in seinen Sessel und sieht fern. Seine Frau, die im Schneidersitz auf dem Sofa sitzt, schaukelt eine Weile hin und her, als würde sie ein unsichtbares Baby in den Schlaf wiegen. Ohne Ousep anzusehen, deutet der Mann auf einen Stuhl.
    Ousep setzt sich zu den fremden Leuten und sieht sich den Film an, während er auf Alpha wartet. Es ist ein alter Tamilfilm, der damals als epochemachend galt. Er weiß nicht mehr, wie er heißt, aber er

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