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Das verbotene Glück der anderen

Das verbotene Glück der anderen

Titel: Das verbotene Glück der anderen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Manu Joseph
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müsste.»
    Sie wühlt in ihrer Kokosfasertasche und nimmt ein paar zusammengeheftete Blätter heraus. Ousep erkennt Unnis extravagante Handschrift wieder. Sie gibt ihm die Blätter. «Das ist die Geschichte, die Unni über seine Reise geschrieben hat», sagt sie. «Das ist die Comicgeschichte. Und sie ist identisch mit dem, was er mir erzählt hat, als er aus Kerala zurückkam.»
    Die Geschichte, die Ousep in Händen hält, liefert nicht den Schlüssel, auf den er gehofft hat. Doch seine Hände bleiben nicht ruhig, als er den Bericht von Unni Chacko liest, der sich aufgemacht hat, einem Mann gegenüberzutreten, den er noch nie gesehen hat. Es ist die Geschichte von der Begegnung eines Siebzehnjährigen mit einem Mann, der seine Mutter vor vielen Jahren belästigt hat, als dieser Mann jung und sie noch ein Mädchen war. Ein Mann namens Philipose.
    ~
    Wie soll man es nennen

von UNNI CHACKO
    Philipose, Philipose
,
    Ich habe Euren Namen oft gehört. Seit meiner Kindheit habe ich Euren Namen gehört. Ich habe ihn von meiner Mutter gehört. Meine Mutter sagt: «Philipose, Ihr seid davongekommen, Philipose.» Ihr kennt meine Mutter. Hoffentlich seid Ihr so menschlich und erinnert Euch noch an sie.
    Sehr lange wusste ich nicht, wer Ihr seid. Ich dachte, Ihr wäret nur einer von vielen Verwandten. Doch jetzt weiß ich, wer Ihr seid. Ich komme und erledige Euch, Philipose. Endlich komme ich und erledige Euch.
    Ich kenne den Namen Eures Dorfs, ich kenne Euren Familiennamen und den Namen Eures Hauses. Ich werde Euch finden. Ich weiß, dass Ihr noch in Eurem Dorf lebt, weil meine Mutter sagt, Männer wie Ihr gehen nie fort. Ihr habt Land, einen Hügel voller Kautschukbäume, die Ihr als Mitgift bekommen habt, und Ihr seid halbgebildet. Respekt bringt man Euch nur auf Eurem Land entgegen, Philipose. In der weiten Welt jenseits Eures Dorfes hat man vor Männern wie Euch keinen Respekt, die deshalb ein Leben lang in ihren alten Häusern wohnen bleiben und Jackfrüchte und Mangos und Flussfische und roten Reis essen.
    Ihr könnt mich bald sehen. Von Eurem Fenster aus könnt Ihr einen starken, athletischen Jungen sehen, der auf dem unbefestigten Weg auf Euer Haus zukommt. Ihr werdet die Augen zusammenkneifen,
aus Eurem Lehnstuhl aufstehen, aus der Tür treten und auf mich warten. Und dann werdet Ihr mich fragen: «Wer bist du, mein Junge?»
    Ich werde kein Wort sagen, Philipose. Als Erstes werde ich Euch auf die Nase schlagen. Ihr werdet Mariamma Chacko in mir sehen und davonrennen. Aber Ihr werdet nicht weit kommen. Ich werde Euch am Hals packen und durch Euren Grundbesitz schleifen, bis zur Schnellstraße vor Eurer Farm. Dann verprügele ich Euch, bis alle Dorfbewohner sich um uns versammelt haben, und dann sage ich ihnen alles. Ich sage ihnen, was Ihr meiner Mutter als zwölfjährigem Mädchen angetan habt. Ich werde ihnen sagen: «Ich bin der Sohn von Mariamma Chacko, und ich bin gekommen, um Gerechtigkeit zu üben.» Ich werde ihnen sagen, was Ihr getan habt.
    Ich sage dies allen Männern, die solche Verbrechen begehen. Ihr glaubt, Ihr kommt davon, aber früher oder später werden die Mädchen zu Müttern und erzählen ihren Söhnen, was Ihr ihnen angetan habt. Und die Söhne, wenn sie Söhne wie ich sind, werden Euch kriegen, sie werden kommen und Euch verprügeln und vor Euren eigenen Leuten beschämen.
    Ich bin siebzehn Jahre alt, Philipose. Ihr müsst jetzt über sechzig sein. Wahrscheinlich seid Ihr ein starker Mann. Ich weiß, dass Ihr mit Euren Arbeitern auf den Feldern arbeitet. Ich weiß, dass Ihr kräftige Knochen habt und wahrscheinlich auch kräftige Muskeln. Vielleicht habt Ihr starke Söhne und starke Freunde. Doch auch ich bin stark. Wenn Ihr mich seht, werdet Ihr es vielleicht nicht glauben, Philipose, aber ich habe es in mir. Möglicherweise werdet Ihr und Eure Söhne und Eure Leute aus dem Dorf mich besiegen. Es ist möglich, dass Ihr mich in Eure hundert Arme nehmt, mich auf den Boden legt und Euch dann mit einem Fuß auf meinen Kopf stellt. Doch zuvor werde ich allen erzählt haben, was Ihr einem kleinen Mädchen am Ufer des weißen Flusses vor drei Jahrzehnten angetan habt. Ich werde es allen Frauen im Dorf erzählen.
Wenn Ihr Töchter habt, werde ich auch ihnen erzählen, was Ihr getan habt.
    Ich bin unterwegs zu Euch. Ich habe mir von einem Freund Geld für die Reise geliehen. Ohne meiner Mutter etwas zu sagen, bin ich von zu Hause fortgegangen. Weil sie denkt, ich sei noch ein Kind, hätte sie nämlich

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