Das verbotene Land 1 - Die Herrscherin der Drachen
fühlen.
»Ich bin noch am Leben«, murmelte diese und spie Erde aus. »Leider.«
»Sag so etwas nicht, Kommandantin«, flüsterte Nzangia drängend, während sie der anderen hochhalf. »Niemals.«
Lucretta richtete sich im Sattel auf und betrachtete die Kriegerinnen mit herrischem Blick. »Hiermit bist du deines Postens enthoben. Nzangia, ich ernenne dich zur Kommandantin. Diese Frau steht unter Arrest. Fesselt sie. Man wird sie vor Gericht stellen.«
»Meisterin!« Nzangia wollte Einwände erheben.
»Gehorche mir!«, befahl Lucretta kalt. »Sonst finde ich eine andere, die es tut.«
»Tut mir Leid, Kommandantin«, wisperte Nzangia, während sie Bellona Hände und Arme mit Bogensehnen zusammenband.
»Ist nicht deine Schuld«, erwiderte diese leise.
»Das ist nur vorübergehend. Die Meisterin wird zur Einsicht kommen. Ich rede mit ihr …«
»Gib dir keine Mühe«, wehrte Bellona ab. »Sie hasst mich, so wie sie auch Melisande gehasst hat. Es ist wirklich besser so.«
Lucretta versuchte, vom Pferd zu steigen, wobei sie keine gute Figur abgab, denn als sie ihr langes, knochiges Bein über den Sattelknauf schwang, verstrickte sie sich in ihr eigenes Gewand. Das Pferd verdrehte die Augen und warf den Kopf hin und her. Weil es aussah, als würde es gleich zuschnappen, eilten mehrere Frauen ihrer Meisterin zu Hilfe. Bellona bewegte ihre Hände, um die Festigkeit ihrer Bande zu prüfen.
Lucretta war klug genug, sich von den anderen helfen zu lassen. Nachdem sie abgesessen war, taumelte sie kurz, richtete sich dann jedoch wieder auf.
»Schick deine Kriegerinnen schlafen, Kommandantin. Wir brechen vor Tagesanbruch auf. Beim ersten Sonnenstrahl will ich im Kloster sein.«
»Im Kloster?« Nzangia starrte sie an. »Verzeihung, Meisterin, aber jagen wir denn nicht weiter den Flüchtlingen nach?«
»Morgen kehren wir nach Seth zurück«, erklärte Lucretta mit schneidender Stimme. »Die Hure ist uns entwischt. Soll ihr schlechtes Gewissen ihr Strafe genug sein.«
Bellona konnte kaum glauben, was sie da vernahm. Nzangia erging es ähnlich, denn sie wagte einen neuerlichen Protest: »Meisterin, gestatte mir wenigstens, eine Patrouille flussabwärts zu führen.«
Lucrettas Augen blitzten auf. »Hört mir zu, ihr alle hier«, sprach sie scharf. »Unsere alte Meisterin war eine gute Frau, wie es keine zweite bessere gibt. Aber sie war alt und gebrechlich, und in ihrer Schwäche hat sie gewisse Dinge schleifen lassen. Unter meiner Herrschaft wird das anders sein. Wenn ich einen Befehl erteile, erwarte ich keinen Widerspruch, sondern Gehorsam. Verstanden? Kommandantin?«
Die Kriegerinnen schwiegen bedrückt. Jede einzelne von ihnen hatte die alte Meisterin geliebt und geachtet. Aber vielleicht hatte diese neue Meisterin ja Recht. Vielleicht hatte die Disziplin tatsächlich nachgelassen. Wie anders hätte die Hohepriesterin ihren Liebhaber ins Kloster einschmuggeln können, wie man sich zuraunte. Vielleicht war es wirklich an der Zeit für Veränderungen. Keine von ihnen mochte Lucretta leiden, doch allmählich stieg diese in ihrer Achtung.
»Ja, Meisterin. Verzeih mir, Meisterin«, nickte Nzangia.
»Gut.« Lucrettas Gelassenheit kehrte zurück. »Morgen früh werden wir in Seth gebraucht. Seine Majestät wird den Tod der Meisterin bekannt geben, und das bedeutet dem Brauch gemäß, dass innerhalb einer Woche die Totenfeier gehalten wird. Es sind viele Vorkehrungen zu treffen. Tausende werden ins Kloster strömen. Deine Kriegerinnen werden dort gebraucht, um die Besucher zu beherrschen, denn die Arbeit der Priesterinnen soll so wenig wie möglich unterbrochen werden. Wir dürfen in unserer Wachsamkeit vor den Drachen nicht nachlassen, denn sie könnten unsere scheinbare Schwäche in dieser Übergangszeit durch einen Angriff ausnutzen wollen.«
Gehorsam verneigte sich Nzangia.
»Das wäre also geklärt.« Lucretta sah sich um. »Eine von euch soll mir ein Lager herrichten.«
Etwas betreten sahen die Kriegerinnen einander an. Wenn sie auf Patrouille waren, schliefen sie gewöhnlich in ihre Pferdedecken gewickelt direkt auf dem Boden. Doch die Drachenmeisterin konnten sie schlecht ans nasse, schlammige Flussufer betten.
»Sie kann doch im Wagen schlafen«, flüsterte Bellona rau.
»Meisterin«, meldete sich Nzangia erleichtert zu Wort. »Wir haben zwischen den Bäumen einen Wagen entdeckt. Dort könntest du schlafen.«
»Was hast du gesagt?«, fuhr Lucretta sie scharf an.
»Ein Wagen, Meisterin«, wiederholte
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