Das verbotene Land 2 - Drachensohn
Lächeln zurück. Ein seltenes Ereignis bei dem Mann, der in letzter Zeit so wenig zu lächeln gehabt hatte.
»Du bist ein feiner Kerl, weißt du«, meinte er. »Jedenfalls wärst du das, wenn deine Eltern dich nicht so hemmungslos verwöhnt hätten. Und so frühreif warst du nun auch wieder nicht. Du bist gekrabbelt wie alle anderen auch.«
»Ich weiß, dass sie mich verwöhnen«, gab Markus offen zurück. Er warf die Haare zurück und sah Drakonas in die Augen. »Sie haben nämlich Angst vor mir. Ich weiß noch, wie Mutter geguckt hat, als ich ihr die Farben beschrieben habe, die Lichter und die Formen, die ich innerlich sehen konnte. Ich dachte natürlich, das wäre etwas ganz Normales, aber dann sah ich sie an und erkannte die Furcht in ihren Augen. Da wusste ich, dass ich ihr Angst machte.«
»Und dadurch hattest du Macht über sie, hm?«, hakte Drakonas nach.
Markus wurde rot. »Ja.« Ein trotziges Glitzern kehrte in seine braunen Augen zurück. »Aber ich brauchte diese Macht. Meine großen Brüder machen so tolle Sachen. Meine Eltern sind stolz auf sie. Nur ich …« Er presste die Lippen aufeinander und schwieg.
»Du machst ihnen Angst.«
Das Kind nickte.
»Und du glaubst, sie sind bloß nett zu dir, weil sie sich vor dir fürchten.«
Markus sah auf. »Ist doch so, oder?«
»Sie haben Angst um dich, Markus. Nicht vor dir.«
Der Fluss strömte träge dahin. Das unbändige Schmelzwasser des Frühlings war ferne Erinnerung. Die Sommersonne, die durch die Blätter fiel, warf Schatten, die der leichte Windhauch zum Tanzen brachte. Sie wärmte den Lehm, der von einer dünnen Wasserschicht überzogen war, und verlieh ihm einen leicht metallischen Glanz. Markus blickte über den Fluss hinaus in die Richtung, wo Drakonas zufolge seine Heimat lag. Sein Blick verschwamm, doch diesmal sah er keine Magie. Er sah seine Eltern, lauschte ihren Stimmen, vielleicht zum allerersten Mal.
»So habe ich das nie gesehen«, gestand er. »Sicher hast du Recht.« Er warf Drakonas einen Blick zu. »Ich habe ihnen sehr wehgetan, nicht wahr?«
»Fast so sehr wie sie dir.« Drakonas strich dem Jungen die Locken zurück, die ihm immer wieder in die Augen fielen.
Markus war ein hübsches Kind. Er würde zu einem gut aussehenden Mann heranwachsen, der seinem Vater ähnelte. Doch aus seinen Augen würde nie dasselbe Licht sprühen wie aus Edwards Augen. Markus' braune Augen würden immer von der Düsternis seines kleinen Raums überschattet sein.
»Bald bist du wieder zu Hause. Dann könnt ihr neu anfangen, du und deine Eltern.« Drakonas deutete auf den Lehm. »Fang an zu krabbeln. Wenn du das kannst, werde ich dir das Laufen beibringen.«
Seufzend grub Markus beide Hände in die Erde und schöpfte einen großen, tropfenden Klumpen.
»Und jetzt?«, fragte er.
»Mach eine Kugel daraus. Konzentriere dich darauf, wie sich der Lehm in deiner Hand anfühlt, wie er aussieht, wie er riecht. Fühl die kleinen Körnchen, die ihn anrauen, nimm wahr, wie sie sich von der weichen, schlüpfrigen Masse unterscheiden. Spür die Wärme des sonnenbeschienenen Wassers und die Kälte des Flussgrunds darunter. Betrachte die Schalen der winzigen Tierchen, die darin gelebt haben. Riech die Nässe, den Geruch nach Erde und Fisch, wie sich alles vermischt.«
»Das macht ja richtig Spaß«, staunte Markus. Wie jedes Kind machte ihm das Matschen einfach Freude.
Voller Hingabe formte er den Klumpen, klatschte dagegen und lachte fröhlich, wenn er dabei Drakonas mit Wasser bespritzte. Er machte eine glatte, runde Kugel, dann eine Ente, nach dem Vorbild einer echten Ente, die durch das Schilf paddelte. Die Lehmente war nicht gerade naturgetreu, doch Drakonas lobte sie überschwänglich.
Den ganzen Nachmittag blieben sie am Ufer. Markus bearbeitete den Lehm und lernte, das Bild in seinem Kopf auf seine Finger zu übertragen. Trotz aller Rückschläge blieb er geduldig und lernte aus seinen Fehlern, drückte den Lehm wieder zur Kugel und versuchte es erneut.
»Gut«, sagte Drakonas sowohl innerlich als auch laut. »Sehr gut!«
Als die Sonne zwischen die Zweige tauchte und der Junge zu frösteln begann, kehrten sie in ihr Lager zurück. Nach dem Essen saß Markus da und starrte ins Feuer. Die Arme hatte er um die Knie geschlungen. Leise forderte Drakonas ihn auf: »Jetzt geh in deinen kleinen Raum. Ruf die Farben herbei. Du brauchst mich nicht dazu. Das kannst du allein.«
Markus' Blick kehrte sich nach innen. Ein zögerliches, ehrfürchtiges
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