Das verbotene Land 2 - Drachensohn
dem Baum aufstieg.
»Dein Vater führt sein Schwert, um sich und andere zu verteidigen. Deshalb musst du lernen, deine Magie zu verwenden.«
Der Prinz sah ihn zweifelnd an. »Es geht aber nicht nur ums Töten, oder?«
Drakonas entspannte sich. »Nein, Markus. Eigentlich dient die Magie dem Leben. Ich werde es dir beweisen. Streck die Hände zum Himmel aus und ergreife einen Stern, einen Vogel, eine Wolke. Was immer du willst. Sie gehören dir.«
Markus starrte ihn an und über ihn hinweg. Die Tränen trockneten. Langsam brachte ein Triumphgefühl seine Augen zum Leuchten, bis sie golden wirkten. Seine Hände ergriffen das luftige Nichts und begannen, es zu formen, wie sie den Lehm geknetet hatten. Dann sanken seine Hände aus Fleisch und Blut herab, denn nun wirkte er diese Wunder einzig mit den Händen seiner Seele.
Drakonas lehnte sich an einen Baum. Doch er war nicht mit sich zufrieden, sondern fühlte nur Leere.
»Ich weiß, was vor dir liegt«, flüsterte er dem Jungen lautlos zu. »Ich kenne den Pfad, den du einschlagen wirst, weil ich ihn dir weisen werde.« Er seufzte tief. »Wo wird diese strahlende Begeisterung dann sein? Wie jener Baum zu Asche verbrannt …«
So verstrichen drei Monate, in denen Markus rasche Fortschritte im Umgang mit der Magie erzielte. Nach dieser Spanne fand Drakonas, der Junge könne nun nach Hause zurück.
Diese Aussicht war für Markus aufregend, löste aber auch Bangigkeit aus.
»Ich war lange nicht mehr wirklich zu Hause«, vertraute er Drakonas an. »Meine Eltern kennen mich ebenso wenig wie ich sie. Das ist, als wenn ich zu Fremden ziehe.«
Seine braunen Augen blickten den Mann an. »Warum kann ich nicht einfach bei dir bleiben?«
»Weil du noch viel lernen musst. Ich habe weder die Zeit noch die Geduld, es dir beizubringen«, antwortete Drakonas. »Du liest nur stümperhaft, und jede Krähe schreibt leserlicher als du. Du musst lernen, ein Schwert zu führen, dich wie ein Ritter zu benehmen, mit Falken umzugehen, Musik und Tanz und vieles mehr, ehe du deinen Platz als Königssohn wirklich einnehmen kannst.«
Markus runzelte die Stirn, widersprach aber nicht. Er dachte an die jungen Ritter, die in das Schloss seines Vaters gekommen waren. Voll sehnsüchtigem Neid hatte er sie betrachtet und von dem Tag geträumt, wo er rechtmäßig seinen Platz unter ihnen beanspruchen konnte. Auch fiel ihm wieder ein, dass sein Vater ihm ein Pony zum Geburtstag versprochen hatte. Der Geburtstag war verstrichen. Doch vielleicht wartete das Pony noch auf ihn.
»Ich glaube, ich kann nach Hause gehen«, erklärte Markus.
Doch als der Tag kam, an dem Drakonas' Wagen in Sichtweite der strahlend weißen Mauern von Ramsgate-upon-the-Aston kam und Markus die Türme des Schlosses auf dem Berg leuchten sah, schlug dem Jungen das Herz bis zum Hals. Er legte Drakonas eine Hand auf den Arm.
»Bitte, halt an«, sagte er mit erstickter Stimme.
Drakonas zog die Zügel an und betrachtete das Kind, das mit roten Wangen zitternd neben ihm saß.
»Du hast es dir doch nicht anders überlegt?«
Markus schüttelte den Kopf. Er schluckte.
»Drakonas«, begann er stockend. »Das Gesicht der Frau, das ich über die Magie gesehen habe … Wer war das?«
»Nur ein Gesicht«, antwortete sein Begleiter.
»Und die Hand?«
»Nur eine Hand.«
»Der Drache sagte, sie sei meine Mutter«, flüsterte das Kind. »Meine richtige Mutter.«
»Glaub, was du willst«, erwiderte Drakonas. »Aber behalte für dich, dass du dieses Gesicht gesehen hast. Du weißt, was ich dir gesagt habe.«
Markus trat an die Seite des Wagens. Er leierte das Mantra herunter, das er seit Beginn seiner Lehrzeit jeden Tag gehört hatte. »›Die Magie ist geheim. Nur du und ich wissen davon. Die Magie ist geheim. Nur du und ich wissen davon.‹ – Wir können weiterfahren.«
Drakonas hielt noch immer die Zügel angezogen.
»Die Magie ist geheim, Markus. Nur du und ich wissen davon. Sieh mich an, wenn ich mit dir rede!«
Markus hob den Kopf.
»Es ist ein gefährliches Geheimnis. Für dich, Markus, weil du den Drachen gesehen hast, der dort draußen ist und dich zu finden sucht. Wenn er dich entdeckt, wird er dich deiner Familie und deiner Heimat entreißen. Er wird dich so weit wegbringen, dass du nie wieder zurückfindest.«
Drakonas wollte dem Jungen Angst machen, auf Jahre hinaus, damit er sie nicht vergaß, wenn die Dinge sich zuspitzten.
»Und neben dem Drachen«, fuhr Drakonas mitleidlos fort, »gibt es hier Menschen, die
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