Das verbotene Land 3 - Drachenbruder
Diese Idee schien den Mönch stark zu beeindrucken, denn er starrte mit großen Augen auf den träge dahinfließenden Strom. »Ich gehe sie suchen.«
Er sprang ins Wasser, wo er wild herumspritzte und mit den Armen um sich schlug, weil er kaum oben bleiben konnte. Der klügere Mönch watete kopfschüttelnd hinein, um seinen Begleiter wieder an Land zu ziehen.
»Was machst du denn da?«, mahnte er streng. »Du kannst doch nicht schwimmen. Am Ende ertrinkst du noch.«
Der Mönch schüttelte ihn ab. Nach einem verständnislosen, aber sehnsüchtigen Blick auf das Wasser drehte er sich um. Nem zitterte im Schatten vor Kälte. Er bereute, dass er geblieben war.
»Was machen wir jetzt?«, fragte der triefend nasse Mönch kläglich. »Wir können sie nicht verfolgen. Wir haben keine Boote.«
»Wir gehen zurück nach Drachenburg.«
»Und was sagen wir Grald?« Der Mönch klang nervös.
»Dass wir sie nicht finden konnten. Und dass die Boote weg waren.«
»Grald wird wütend sein.«
»Grald ist immer wütend«, erwiderte der Anführer. Er zuckte mit den Schultern.
Entgegen Nems Hoffnung brachen die drei jedoch nicht gleich auf. Der Anführer beobachtete noch eine Weile den Fluss, als ob er ihn in Gedanken absuchte. Die anderen beiden stocherten ziellos herum.
Nem verfluchte sie im Stillen. Wann gingen sie endlich? Die unerklärliche Explosion hatte die Stadt in helle Aufregung versetzt, aber nun würde sein Fehlen allmählich auffallen. Gerade als er überlegte, ob er es riskieren sollte, sich weiter in den Wald zurückzuziehen, gab der Anführer bekannt, dass sie zurückgehen würden.
»Grald wird schon auf unseren Bericht warten.«
»Bestimmt nicht«, murrte einer der anderen. »Sonst hätte er das Tor gleich geöffnet, als wir ihm meldeten, dass die zwei entkommen sind.«
»Grald hat seine Gründe.«
Der Mönch, der in den Fluss gesprungen war, meldete sich zu Wort. »Ich habe gehört, der Drache hätte das Tor nicht geöffnet, weil er fürchtete, dieser Mann, den wir gesucht haben – der, den er ›Drakonas‹ nannte –, könnte sonst entwischen.«
Nem spitzte die Ohren. Davon wollte er mehr hören. Dummerweise traten die Mönche ausgerechnet jetzt den Rückweg an. Nem verfluchte sie erneut. Durch sein Drachenblut konnte er besser hören als die meisten Menschen, doch nun musste er sich sehr anstrengen.
»Am Ende hat Grald doch das Tor geöffnet«, hielt der andere Mönch dagegen. »Also hat man diesen Drakonas wohl erwischt.«
»Hat man nicht«, widersprach der Anführer. »Man hat uns gesagt, wir sollten weiter nach ihm suchen – lebend oder tot. Anscheinend hat er diese furchtbare Explosion verursacht. Bis jetzt weiß niemand, wie viele dabei gestorben sind.«
»Warum sollte er so etwas tun?« Der Mönch klang erschüttert.
»Weil er unser Feind ist. Er soll uns vernichten.«
»Und wer hat ihn geschickt?« Die beiden anderen Mönche hörten genau zu. Begierig erwarteten sie die Neuigkeiten.
»Der Menschenkönig, der uns schon so lange bedroht. Edward, der König von Idlyswylde. Merkt euch meine Worte. Das bedeutet Krieg.«
Krieg gegen Idlyswylde. Krieg gegen Markus und seinen Vater. Nem versuchte, sich eine Armee aus irren Mönchen vorzustellen, doch dieser Gedanke war so absurd, dass er verächtlich schnaubte.
Spannender war die Frage, was aus Drakonas geworden war.
Nem erinnerte sich an die furchtbare Explosion. Sie hatte das Haus, in dem er sich mit Markus und Evelina aufgehalten hatte, in Schutt und Asche gelegt. Markus und Evelina hatten fliehen können. Drakonas hatte die Explosion verursacht, und Grald jagte ihn. Also musste Drakonas noch am Leben sein.
Sobald die Mönche außer Hörweite waren, machte Nem sich auf den Weg zur Stadt. Hoffentlich kam er dort an, ehe jemand seine Abwesenheit bemerkte.
3
Anora kämpfte sich durch einen Strudel aus schwarzer Wut und Gralds Zorn, in den sich ihr eigener Schmerz und schiere Verwirrung mischten. Sie lag zwischen geborstenen Steinen und gesplitterten, glühenden Balken auf dem Boden. Wolken aus Rauch und Staub nahmen ihr die Sicht. Hustend schüttelte sie den Kopf, damit das Pochen und Gralds Gejaule aufhörten.
»Was hast du getan?« Wütend heulten seine Farben durch ihren schmerzenden Kopf. »Du hast mir die halbe Stadt verwüstet und mich dabei ums Haar umgebracht! Und meinen Sohn. Was ist mit meinem Sohn?«
Anora achtete nicht auf ihn. Sie versuchte, sich zu erinnern. Drakonas! Was war aus ihm geworden? Sie richtete sich auf und sah
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